Einige Händler setzen mehr um als im Vorjahr. Conti-Tech fährt die Produktion hoch. Doch die Werkstätten klagen über zu wenige Aufträge.

Hamburg. Die Autobranche spricht in diesen Tagen über die schlimmste Krise seit Jahrzehnten. Von der schwersten Belastungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg, härter noch als der Einbruch zur Ölkrise in den 70er-Jahren, als die Leute sonntags über die Autobahn spazierten und Tankstellen keinen Nachschub mehr liefern konnten. Die Autozulieferer in Hamburg, große Industriebetriebe wie Conti-Tech und das Achsenwerk von Daimler schnuppern allmählich jedoch wieder Morgenluft. Und auch viele Autohäuser spüren, dass so mancher Kunde wieder den Mut zum Neuwagenkauf aufbringt. Dabei sind insbesondere Premiumhersteller optimistisch, während bei Modellen wie dem VW Polo, Opel Astra oder Dacia nach dem Auslaufen der Abwrackprämie eine Delle droht. Die Lage der großen Player der Branche in und um den Kennzeichen-Standort HH.

Plus bei Neuwagen

2009 gaben die Haushalte bundesweit 73 Milliarden Euro für den Autokauf aus, gut ein Fünftel mehr als im Vorjahr. "Die Nachfrage konzentrierte sich dabei aber hauptsächlich auf kleine Autos", sagte Alexander Tiedtke, Inhaber des gleichnamigen VW- und Audihändlers zur Verschiebung in Richtung der weniger gewinnbringenden Fahrzeuge. Darunter hatte etwa Mercedes zu leiden: Die Niederlassung der Stuttgarter in Hamburg hatte im vergangenen Jahr Kurzarbeit eingeführt, diese aber jetzt vorzeitig beendet. "Denn trotz Eis und Schnee sind wir nun sehr gut ins Jahr gestartet", sagte Niederlassungsleiter Bernd Zierold. BMW in Hamburg war mit 2009 zufrieden und rechnet für 2010 mit einem "womöglich etwas besseren Geschäft", sagte Erik Santer, Chef der Niederlassung mit 590 Mitarbeitern. Grundsätzlich stützen die Autohäuser ihre Hoffnungen auf die neuen Modelle, deswegen sind die Aussichten je nach Marke sehr unterschiedlich.

In den ersten beiden Monaten 2010 überrascht die Branche in Hamburg mit einem Plus von 11,7 Prozent bei den Neuzulassungen gegenüber dem Vorjahr. Diese positive Abweichung zu den Bundeszahlen, wo ein Minus von 20 Prozent aufgelaufen ist, erklärt sich aber auch durch Effekte der in Hamburg zahlreich vertretenen Autovermietungen.

Bundesweit mussten wegen der angespannten Lage im vergangenen Jahr 687 Autohäuser ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt geben, ein Plus von 20,3 Prozent gegenüber 2008. Einer der bekanntesten Fälle im Norden war die Kittner-Gruppe aus Lübeck, deren Betrieb nun aber weitergeht. Für dieses Jahr rechnet die IG Metall mit weiteren Händleraufgaben, unter anderem durch den Preiskampf.

Gebrauchte wieder gefragt

Während sich die Kunden im vergangenen Jahr bei Gebrauchtwagen zurückgehalten haben, weil ältere Fahrzeuge im Vergleich zu Neuwagen wegen der Abwrackprämie vergleichsweise unattraktiv waren, zieht nun die Nachfrage wieder an. "Außerdem hat es Preiskorrekturen gegeben", sagte Bernd Schweitzer vom Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein. VW Tiedtke berichtet von einem "guten" Gebrauchtwagengeschäft, Mercedes vergrößert die Gebrauchtfahrzeugausstellung am Friedrich-Ebert-Damm ab April deutlich und BMW berichtet sogar von einem Engpass: "Wir hatten zuletzt zu wenig junge Gebrauchte im Angebot", sagte Santer.

Hoffnung bei Nutzfahrzeugen

Die angespannte Situation in der Logistik hat zu einem massiven Rückgang bei Lkw-Käufen geführt. Allerdings rechnen die Autohäuser mit einem leichten Aufschwung im laufenden Jahr, wenn das Konjunkturprogramm II seine volle Wirkung entfaltet und wieder mehr Fahrzeuge auf Baustellen gebraucht werden.

Werkstätten: Wenig Aufträge

Die Glatteisunfälle sind zum Leidwesen der Werkstätten weitgehend ausgeblieben und haben den Kfz-Mechanikern einige laue Wochen beschert. "Die Leute sind einfach weniger gefahren", so Schweitzer. Er erwarte aber nach der Schneeschmelze mehr Aufträge durch Probleme mit der Achse oder bei den Stoßdämpfern. Der strenge Winter habe zu erheblichen Straßenschäden geführt, die die Fahrzeuge strapazieren. Bundesweit mussten 2009 insgesamt 308 Werkstätten Insolvenz anmelden - ein Anstieg von 4,7 Prozent gegenüber 2008.

Zulieferer: Gespaltene Bilanz

Hamburg ist ein vergleichsweise kleiner Standort für Autozulieferer und damit wirtschaftlich gesehen weit weniger von der Branchenkrise betroffen als etwa die Autoländer in Baden-Württemberg oder Bayern. Große Unternehmen wie die Conti-Tech oder das Achsenwerk von Daimler in Harburg sehen ihre Lage derzeit aber positiv. Bei Conti-Tech mit gut 750 Mitarbeitern wird im Gummi-Mischwerk Phoenix Compounding mittlerweile wieder an sechs Tagen die Woche gearbeitet (letztes Jahr waren es teilweise nur drei oder vier). Erste Leiharbeiter wurden eingestellt, um Auftragsspitzen abzuarbeiten. Auch die Fertigung von Schläuchen für die Automobilindustrie ist sehr gut ausgelastet. Lediglich bei Conti-Tech Vibration Control ist das Geschäft mit Teilen für den Schiffbau noch nicht wieder auf dem alten Stand.

Daimler plant für das erste Quartal 2010 im Werk Hamburg keine Kurzarbeit, allerdings arbeiten bei dem Konzern im Rahmen eines Sparprogramms alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter kürzer und bekommen entsprechend weniger Lohn. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung ist bis Ende Juni gültig. Zum Ende des vergangenen Jahres produzierten die 2500 Mitarbeiter in Harburg knapp 900 000 Achsen für die A-, B- und C-Klasse, das sind rund 200 000 weniger als 2008. Allerdings stärkt die Konzernzentrale in Stuttgart ihren Hamburger Standort mit einer Millioneninvestition und sieht die Zukunft des Achswerkes positiv.

Probleme bereitet der Branche grundsätzlich der verschärfte Preiskampf. So soll etwa VW dazu übergegangen sein, statt der branchenüblichen Preissenkungen um jährlich drei bis fünf Prozent beim Abschluss neuer, mehrjähriger Lieferverträge auf deutlich höhere Abschläge zu drängen. Opfer des Kostendrucks, den neben VW etliche Hersteller an die Lieferanten weitergeben, gibt es auch in Hamburg: So meldete die Stankiewicz, ein Hersteller von Dämmsystemen, Insolvenz an, ist aber mittlerweile von einem Investor gerettet worden. Keine Hilfe gibt es für einen traditionsreichen Betrieb in Altona: Kolbenschmidt schließt seinen Standort in Hamburg bis Ende des Monats.