Hamburgs erste Nachkriegsausgabe jetzt als Nachdruck. Das Abendblatt hat Firmen herausgesucht, die bis heute noch bestehen.

Hamburg. Die "Gelben Seiten" waren einst hellblau - jedenfalls der Einband. Damals, vor 60 Jahren. Als nach dem Zweiten Weltkrieg das erste Branchenbuch für Hamburg auf den Markt kam. Jetzt hat der Verlag Dumrath & Fassnacht jenes gebundene Nachschlagewerk, in dem von A wie Abbruchbetriebe bis Z wie Zolldeklaranten Tausende Betriebe verzeichnet waren, als Faksimile in kleiner Auflage herausgegeben.

Das Abendblatt hat aus diesem sogenannten "Branchen-Fernsprechbuch für den Oberpostdirektionsbezirk Hamburg 1950" drei Familien-Firmen herausgesucht, die bis heute unter der jeweils selben Anschrift noch erfolgreich bestehen.

Tanzschule Bartel, Ulmenau 23

Streng genommen seien sie "Hamburgs erfolgreichste Heiratsvermittlung", sagt Corinna Bartel lachend. Schließlich hätten seit 1923 bestimmt schon Zehntausende Paare schrittweise in der Tanzschule Bartel zueinander gefunden. Seit ihr Großvater Walter die Schule im Mundsburg-Haus gründete. "Erst eben hat mir eine Dame, die ihre Enkelin zur Tanzstunde anmeldete, mit leuchtenden Augen erzählt, dass sie bei uns ihren Mann kennengelernt hat", sagt die 49-Jährige, die den Familienbetrieb neben dem Ernst-Deutsch-Theater vor 15 Jahren übernommen hat. "Eine Selbstverständlichkeit, etwas anderes kam nie infrage. Ich liebe diesen Beruf."

Auf dem verwinkelten Weg von der Garderobe mit ihren herrlich plüschigen Samtsesseln hinauf in die beiden Tanzsäle erinnern schwarz-weiße Fotos an die Anfänge. An Walter und Anni Bartel, die ihren Kursteilnehmern das Taktgefühl beibrachten. Und die perfekte Drehung. "Dabei waren gerade nach dem Krieg die Zeiten hart", sagt Corinna Bartel. Das Haus war ausgebombt, nur eine Decke hatte standgehalten. "Meine Oma Anni war eine echte Trümmerfrau. Hat beim Wiederaufbau selbst die Steine angeschleppt, damit es hier möglichst schnell wieder zur Tanzmusik rundgehen konnte."

Heute bieten Corinna Bartel und ihre drei festen Mitarbeiter täglich bis zu vier Kurse an, darunter auch Videoclip-Dancing. "Aber am gefragtesten ist gerade bei jungen Paaren der klassische Gesellschaftstanz."

Recycling Melosch, Waidmannstraße 16

Mit Pferd und Wagen wurde das Papier gesammelt, anschließend von Hand gepresst. 1907, als sich Ludwig Melosch in Altona mit seiner "Altpapier-Großhandlung" selbstständig machte. Längst ist das Unternehmen, das mittlerweile in vierter Generation von Peter Melosch und seinem Sohn Michael geführt wird, in Norddeutschland die Nummer eins und weltweit im Geschäft. "Wir haben allein knapp 80 Papierfirmen in Asien, die wir beliefern", sagt Prokurist Hans-Jürgen Friedeheim, der seit 1993 bei Melosch (270 Mitarbeiter) beschäftigt ist. Das sei ein Kreislauf: Die 1,8 Millionen Hamburger sammeln Altpapier, Melosch exportiert dieses teilweise nach Asien, wo es zu Kartons verarbeitet wird, die dann später, beispielsweise als Verpackung eines neuen DVD-Rekorders, wieder in einem Hamburger Wohnzimmer landen könnten.

Insgesamt 500 000 Tonnen Papier verwertet Melosch jedes Jahr. "Sammeln, sortieren, verwerten, verkaufen - so läuft unser Geschäft." Ein Geschäft, an dem sich die wirtschaftliche Entwicklung ablesen lasse. "Wenn die Menschen sparen und weniger konsumieren, fällt auch weniger Verpackung an." Trotzdem ein Geschäft mit langer Zukunft? "Natürlich, wir glauben an Papier", sagt Friedeheim. Und an die Familienbande. "Es gab schon viele Anfragen - aber ein Verkauf kam nie infrage." Genauso wenig wie ein Umbau des Firmensitzes, der unter Denkmalschutz steht. "Das hier ist und bleibt die Original-Keimzelle des Unternehmens."

Möbel Deubelius, Hoheluftchaussee 19

"Allein die Fassade verrät schon, dass wir auf dieser Einkaufsmeile ein Dinosaurier sind", sagt Christian Mock. Der 44-Jährige führt das 500 Quadratmeter große Möbelhaus, das Heinrich Deubelius 1919 eröffnete. Damals seien Tische, Stühle, Bänke noch ausschließlich vor Ort, in der kleinen Werkstatt auf dem Hof, von Hand gefertigt worden. Unter anderem von Mocks Vater Martin, der als junger Tischler für den Firmengründer arbeitete und das Geschäft in den frühen 80er-Jahren von dessen Tochter Wally Deubelius übernahm.

Die Sessel, Sofas und Schränke, die heute im Geschäft auf zwei Etagen ausgestellt werden, kommen immer noch vor allem aus Deutschland - wenn auch nicht mehr aus der hauseigenen Produktion. Auf Möbel für Senioren hat sich Christian Mock, der sowohl handwerklich als auch kaufmännisch ausgebildet ist, mittlerweile spezialisiert. Allein sechs Hamburger Seniorenresidenzen hat Möbel Deubelius eingerichtet. "Diese Nische hat uns in den vergangenen 15 Jahren das Überleben gesichert. Die Konkurrenz der großen Ketten ist schließlich hart", sagt Christian Mock und stellt die technischen Finessen jener Komfortsessel mit Aufstehhilfe (ab 500 Euro) vor, die er individuell den Körpermaßen seiner Kunden anpassen kann. Auch er selbst und seine sechs Mitarbeiter in dem Ausbildungsbetrieb haben sich längst an die Bedürfnisse der größten, teils älteren, Kundschaft angepasst. "Wir machen Hausbesuche, beraten die Kunden in ihren eigenen vier Wänden", sagt der Familienvater. Und auch einen Umzugsservice bietet das Möbelhaus an. "Man muss eben mit der Zeit gehen, um zu bleiben."

Die Faksimile-Ausgabe des Branchenbuchs von 1950 gibt es im Internet unter www.BranchenFernsprechbuch1950.de oder als gedrucktes Exemplar (18 Euro). Bestellung unter 800 80 14 50 oder per Mail an buchversand@duf.de .

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