Der ehemalige IT-Manager Winfried Legner erzählt kranken Kindern Geschichten frei und ohne Buchvorlage. Er macht das seit fünf Jahren

Hamburg. Katharina wartet auf eine neue Niere und auf eine neue Leber. Gerade wurde sie operiert, weil sie eine Entzündung im Bauch hatte. Seit Wochen liegt die 13-Jährige deshalb auf der Kinderstation 5 am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) und wartet. Sie wartet schon seit einem Jahr auf neue Organe und darauf, dass es ihrem Bauch besser geht und sie nach Hause kann. Vorerst jedenfalls.

Ein bisschen Abwechslung in den langweiligen Krankenhausalltag bringen dem kranken Mädchen aus Flensburg rund 20 verschiedene Hörspiel-CDs. "Bibi Blocksberg", Rolf Zuckowski und das Sommerfest und ihre Lieblings-CD "Piratenparty" liegen auf dem Nachttisch und im Regal. Der CD-Player steht gleich neben dem Bett. Doch das sind Geschichten aus dem Lautsprecher.

Wenn Winfried Legner (66) einmal die Woche ans Krankenbett von Katharina und den anderen schwer kranken Kindern am UKE kommt, gibt es Geschichten, die lebendiger sind. Herr Legner vom Hospitessen-Dienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist ehrenamtlicher Märchenonkel. Der ehemalige IT-Manager erzählt Geschichten frei und ohne Buchvorlage. Oder er liest vor.

Seit 30 Jahren gibt es den Hospitessendienst des DRK. Genau wie Winfried Legner aus Quickborn engagieren sich zur Zeit rund 20 Mitarbeiter ehrenamtlich. Sie nutzen ihre Freizeit, um Kranken beizustehen. Sie arbeiten in der Onkologie, der Radiologie, in der Notaufnahme und bei den Kindern. "Sie tun das, was Angehörige auch machen", sagt Antje Hackel vom Hospitessendienst. Vor allen Dingen hören sie zu. Oder erzählen Geschichten.

Wegen der Infektionsgefahr muss sich Winfried Legner einen grünen Krankenhauskittel überziehen und die Hände desinfizieren. Dann setzt er sich neben Katharinas Bett und erzählt die Geschichte vom Wolf, der Katze und einem Kaninchen. Er gestikuliert, betont, spricht mit verstellter Stimme. Schnell und ohne Umschweife. Katharina liegt dort mit der Kanüle im Arm und hört zu. Mutter Maike Hansen muss lachen. Der Märchenonkel bietet auch den Eltern der kranken Kinder ein wenig Unterhaltung. "Was sagt man jemandem, der einem geholfen hat?", fragt Winfried Legner. "Man sagt danke", sagt Katharina mit leiser, hoher Stimme. "Bei uns in Hagenbeck ist ja auch ein Wolf", sagt sie noch.

Eine Viertelstunde hat der Besuch gedauert, dann geht Herr Legner weiter zum nächsten Patienten. Er macht das seit fünf Jahren, weil er eine Beschäftigung braucht. Antje Hackel vom Hospitessendienst hofft, dass noch mehr Leute solch eine Beschäftigung suchen und sich ehrenamtlich engagieren wollen. Kontakt: Tel. 480 36 06.