Der Sitzungssaal 119 im Landesarbeitsgericht Hamburg ist ein trister Ort, kaum größer als ein Klassenraum. An der weißen Wand hängt ein düsteres Ölgemälde. Es zeigt eine alte Fabrik, die Schornsteine qualmen. Bei den "Güteterminen" werden hier im Viertelstundentakt Arbeitsplätze zu Abfindungen abgewickelt. Sabine Heinemann (Name geändert) rückt auf einem der Besucherstühle nervös hin und her. Ihr Fall ist der nächste. Kurzes Diktat der Richterin zur Einigung, eine Protokollantin schreibt mit und druckt die Entscheidung gleich aus. Doch so einfach will Sabine Heinemann es der Deutschen Bahn hier nicht machen. Sie hat auf Festanstellung geklagt. Vom Verdacht auf illegale Leiharbeit und "zweifelhaften Methoden", um Gehälter zu drücken, spricht ihr Anwalt, der Hamburger Arbeitsrechtler Holger Thieß.

Vor gut einem Jahr hatte die studierte Volkswirtin Heinemann ihren Job bei der DB-Training, einer Weiterbildungstochter des Konzerns, angetreten. Dachte sie zumindest nach einem ersten Gespräch. Tatsächlich wurde sie dann aber bei einem Verein befristet für ein Jahr eingestellt, der sich gemeinnützig nennt und mit DB-Training zusammenarbeitet. Die 54-Jährige kam gerade von einem Auslandsjob und hatte eine Scheidung hinter sich - "ich habe das dann unterschrieben, weil ich unbedingt eine Arbeit brauchte."

Für Arbeitsrechtler Thieß ist die Verlagerung des Jobs in einen vom Bahntarif abgekoppelten Verein ein Mittel, um den Lohn zu drücken. Gerade mal 1900 Euro brutto bekam Sabine Heinemann. 1300 Euro netto, ein paar Hundert Euro mehr als Hartz IV - trotz akademischer Ausbildung. Ihre Vorgängerin, noch direkt bei DB-Training angestellt, habe 2600 Euro erhalten, sagt sie. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld - all das gab es für sie auch nicht mehr. Er zeigt der Richterin Fotos: Das Türschild am Büro von Sabine Heinemann weist sie als DB-Training-Mitarbeiterin aus. Ein weiteres Foto zeigt sie auf einem DB-Training-Messestand in Bremen. Selbst Stellenanzeigen des Unternehmens gibt es, auf denen Sabine Heinemann als Ansprechpartnerin für die Weiterbildung zu Busfahrern oder Lokomotivführern genannt ist. "Ein klassischer Fall von Tarifflucht ", sagt er. Und dass es bedenklich sei, dass sich ein Staatsunternehmen daran beteilige. Doch die DB-Vertreterin widerspricht: Das Arbeitsverhältnis sei per Werkvertrag klar definiert gewesen. Im Übrigen mache sich Frau Heinemann eine "völlig falsche Vorstellung" von der Bezahlung ihrer Aufgabe.

Der Vertrag mit ihr wurde allerdings jetzt nicht verlängert. Rund 800 Euro Arbeitslosengeld I bekommt sie nun. Nächster Verhandlungstermin ist erst im Mai. Der Ausgang ist offen. Theoretisch könnte sie jetzt auf den Hartz-IV-Satz aufstocken. Doch davor scheut sie erst mal zurück. "Vielleicht bekomme ich doch recht." Bis dahin muss sie mit dem Geld hinkommen. "Ich lebe jetzt vom Sparbuch. Ich entspare mich sozusagen", sagt sie.