“Für meine Dummheit könnte ich mich heute schlagen“ sagte die 72-Jährige bei der Gerichtsanhörung im Amtsgericht Hamburg.

Hamburg. Sie hatte Angst und ist geflohen. Nach Süddeutschland, 650 Kilometer weit. Bekin S. (29) hat ihr mit dem Tod gedroht, weil er sich von ihr und ihrem vermeintlichen Komplizen Hermann K. um 27.000 Euro geprellt fühlte. Doch ist Elvira B. eine Betrügerin - oder die Betrogene?

Es ist ein kurioser Fall, den das Amtsgericht gestern verhandelte. "Eine Räuberpistole vor dem Herrn", findet die Staatsanwältin. Laut Anklage sollen Elvira B. (72) und Hermann K. (58) Bekin S. vorgegaukelt haben, sie benötigten das Geld, um Diamanten im Wert von einigen Millionen Euro beim Zoll loszueisen. Das Darlehen und die ihm versprochene Prämie habe er jedoch nie gesehen.

"Das stimmt alles nicht", sagt Elvira B. unter Tränen. Zwei Kladden liegen vor ihr, mit Fall-Akten zum Bersten gefüllt. Sie hat viel recherchiert, um ihre Unschuld zu beweisen. Ihren weißen Pelzmantel hat sie an den Stuhl gehängt - das Letzte, was der Buchhalterin vom Wohlstand geblieben ist.

Weil sie einem Betrüger aufsaß, dem sie arglos vertraute: Hermann K. Vor vier Jahren lernt sie ihn kennen. Der 58-Jährige gibt sich als Münzhändler aus, schindet durch sein seriöses Auftreten Eindruck. Als er sie wieder und wieder um Geld bittet, fragt Elvira B. nicht groß nach. Sie wittert ein Geschäft. "Er wollte mir das Doppelte zurückzahlen", sagt sie. Als er ihr erzählt, seine kranke Tochter müsse mit dem Hubschrauber zur Operation nach Amsterdam geflogen werden, treibt sie 57 000 Euro auf, pumpt dafür ihren Freund Azan B. (43) an. Das Darlehen will K. verdoppeln. Tatsächlich sieht sie kaum einen Cent wieder.

Im Juli 2006 geht es um den großen Reibach. Hermann K. will durch den Verkauf von Diamanten 12,5 Millionen Euro erlösen. Für eine Echtheits-Expertise fehlten ihm jedoch 27.000 Euro. Wieder glaubt ihm Elvira B. und vermittelt einen Geldgeber: Bekin S.. In einem Café übergibt er die Summe, in bar. Es ist das erste und letzte Mal, dass er Hermann K. sieht.

Bekin S. sagt gestern vor Gericht aus. Der bullige Mann schreit mehr, als er spricht. "Ich sollte das Geld plus Prämie nach dem Verkauf der Diamanten erhalten." Als eine Auszahlung der Summe in Frankfurt scheitert, wird er misstrauisch. Warum geht Elvira B. nie ans Telefon? "Ich dachte, die machen gemeinsame Sache", sagt er. "Sie hat ja den Kontakt zu K. hergestellt."

Immer wieder vertröstet K. seine Gläubiger. Mal sind die Millionen in Frankfurt, mal in Hamburg. Nur bevor es zur Auszahlung kommt, wird er immer krank. Schließlich meldet er aus London Vollzug: Er habe das Geld! Doch leider, leider - teilt er Elvira K. mit - habe der deutsche Zoll die Geldkoffer beschlagnahmt. Er benötige 105.000 Euro für eine Freigabe und Elvira B. zahlt erneut. 5000 Euro. "Als er sagte, er habe das Geld verloren, habe ich ihn angezeigt. Viel zu spät."

Das Gericht spricht die ruinierte Seniorin frei. Sie ist auf 130.000 Euro Schulden sitzen geblieben, hat ihren Mercedes SLK und ihren Schmuck verpfändet, ihr Erspartes aufgezehrt. Nun ist sie in die Privat-Insolvenz gerasselt. Der Richter fasst es nicht: "Wieso haben sie ihm immer noch Geld geliehen, obgleich er es nie zurückzahlte?" Elvira K. zuckt die Achseln. "Seine Erklärungen klangen so plausibel. Für meine Dummheit könnte ich mich heute schlagen." Der vorbestrafte K. wird gesondert verfolgt, aber nur auf dem Papier: Er ist - wieder einmal - krank. Das Attest ist angeblich echt.