Sechs Wochen und Tausende von Knochenbrüchen hat es gedauert, bis Senat und Bezirke erkennen, dass es Winter ist und gehandelt werden muss: Die Stadtreinigung erhält 1000 zusätzliche Mitarbeiter, Anlaufstellen werden eingerichtet, denen Anwohner vereiste Wege melden können, Streugut wird kostenlos verteilt. Warum aber hat das so lange gedauert?

Inzwischen müssen Kliniken lange vereinbarte Operationen verschieben, um akute Knochenbrüche behandeln zu können. Inzwischen sind Senioren an ihr Zuhause gefesselt, da sie sich nicht mehr vor die Tür wagen. Inzwischen kommt es zu Tausenden zumindest kleinerer Unfälle, da Autos auf Eispisten nicht beherrschbar sind.

Zumindest ein Gutes hat die Situation: Hamburger entdecken die Nachbarschaftshilfe neu. Streuen Sand, hacken Eis, kaufen für ihre Nachbarn ein. Wenn jetzt aber die zuständige Umweltbehörde den "gemeinschaftlichen Einsatz aller" fordert, so bleibt wenigstens ein fader Beigeschmack: Wo, bitte, war denn der Einsatz von Senat und Bezirken in den vergangenen Wochen? Die Ämter hatten kapituliert, zumindest auf Nebenstraßen und Gehwegen. Und die Politik hatte es abgelehnt, Verantwortung zu übernehmen. Der Senat war - außer einer öffentlichen Erregung des Bürgermeisters - abgetaucht, besser gesagt eingefroren. Jetzt allmählich taut man wieder auf.

Wenn aber das Eis erst taut, wird sich die nächste große Baustelle für diesen Senat auftun. Die Straßen der Stadt sind in einem erbärmlichen Zustand. Hier rächt sich, dass, wie es der Präsident des Landesrechnungshofs formuliert, der Senat mehr Spaß daran hat, eindrucksvolle neue Gebäude an die Bevölkerung zu übergeben, als Straßen und Grünanlagen zu pflegen. 100 Millionen Euro muss die Umweltbehörde in den nächsten Jahren zusätzlich sparen. Die Zahl belegt, dass der politische Wille fehlt, diesen Zustand zu ändern.