Einem Medienbericht zufolge verfügt die Klinik über eine Software, die das heimliche Einloggen zulässt. Unruhe im Wissenschaftsausschuss.

Hamburg. Den Fall kennt jeder Angestellte, der regelmäßig einen PC nutzt: Plötzlich versagt der Computer seinen Dienst, er "hängt sich auf", nichts geht mehr. Abhilfe schaffen dann meistens die Systemadministratoren, die sich von so ziemlich jedem Punkt der Erde in den PC einklinken können, wie von Geisterhand den Cursor bewegen - und im Idealfall das Problem beheben. Eigentlich eine super Sache.

Nicht vorgesehen und sogar strafbar ist es, dass diese Leute sich heimlich einklinken oder gar nach Daten auf dem PC suchen, die sie nichts angehen. Genau diesem Vorwurf sieht sich das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) ausgesetzt.

Einem Bericht des "Spiegels" zufolge verfügt die Klinik über eine Software, die das heimliche Einloggen zulässt. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Casper habe das UKE aufgefordert, die Software nachzubessern oder auszuwechseln. Ausgelöst worden sei Caspers Einschreiten durch eine kritische Stellungnahme eines Arztes an Bürgerschaftsabgeordnete, aus der Klinikchef Professor Jörg Debatin überraschend am 30. Oktober vor Führungskräften zitiert habe.

"Ich bin stark beunruhigt", sagte die Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft, Eva Gümbel (GAL). "Das sind schwere Vorwürfe, die ausgeräumt werden müssen. Wir werden uns damit im Ausschuss befassen." Auch SPD-Wissenschaftsexpertin Dorothee Stapelfeldt (SPD) forderte: "Das muss sofort aufgeklärt werden." Die Linkspartei-Hochschulexpertin Kersten Artus geht noch weiter: "Das passt ins Bild, da muss massiv geschnüffelt worden sein, um Informanten aufzuspüren."

Auf Abendblatt-Anfrage wies das UKE jeglichen Vorwurf zurück: Die Software "dameware" sei ein Standardprodukt für die Fernwartung von Computern. Die zehn IT-Administratoren des UKE dürften "nur nach vorheriger Einwilligung des jeweiligen Nutzers" auf die Rechner zugreifen und hätten schriftlich erklärt, dass sie sich stets daran gehalten haben. Der Datenschutzbeauftragte habe lediglich Software-"Anpassungen" empfohlen, um "die potenzielle Gefahr einer kriminellen Verwendung" einzuschränken. Diese Maßnahmen befänden sich in der Umsetzung. Von einer Stellungnahme eines Arztes an Politiker sei "dem UKE nichts bekannt".

Aber: Auch in der Politik kursiert die Schilderung, wonach Debatin am 30. Oktober vor UKE-Führungskräften aus einer nicht für ihn gedachten Unterlage zitiert haben soll. Erst daraufhin hätten Mitarbeiter den Datenschutzbeauftragten eingeschaltet.

Auch zeitlich würde es ins Bild passen: Denn nur drei Tage zuvor, am 27. Oktober, waren die Probleme der Klinik und deren Auswirkungen auf die Patienten Thema im Wissenschaftsausschuss gewesen. Einige Abgeordnete zeigten sich dabei bestens informiert und konfrontierten den vom UKE bestellten Gutachter, Professor Matthias Schrappe, mit unangenehmen Details. Ob er von dem Patienten wisse, der eine Stunde in einem Untersuchungsraum gelegen habe und dort gestorben sei? Schrappe: "Nein, den Fall kenne ich nicht." Ob er von der Niere wisse, die im Abfalleimer lag? Nein, sei ihm nicht bekannt. Die Vermutung liegt nahe, dass die Politiker aus dem UKE gezielt mit Informationen versorgt worden waren - den Klinikchef sollten diese Schreiben wohl kaum erreichen. Dass es interne Kritiker gibt, war spätestens im Mai 2009 deutlich geworden. Damals hatten 15 leitende Ärzte in einem Brief an Debatin massive Probleme im Neubau angeprangert, die sogar die Patientensicherheit gefährdeten. Seitdem war die Klinik mehrmals Thema im Wissenschaftsausschuss.