Neues Gesetz schreibt Hausnotruf sowie regelmäßige Infos und Betreuung der Bewohner vor. Die Einrichtung hat Nachholbedarf.

Hamburg. Eine Betreuerin ohne Urlaubsvertretung, funktionslose Notrufknöpfe, sozial isolierte ältere Menschen - trotz Betreuungsvertrag. Derartige Vorfälle hat es in der Vergangenheit häufiger in Hamburger Seniorenwohnanlagen gegeben. Damit soll jetzt Schluss sein.

Das novellierte Heimgesetz der Sozialbehörde ist auch eine Konsequenz auf die Ereignisse, die im August 2008 für Aufsehen sorgten. Damals lag ein Rentner zehn Tage lang tot in seiner Wohnung in der katholischen Seniorenwohnanlage St. Vinzenz in Eißendorf, ohne dass Bewohner oder Betreuungspersonal es bemerkten. Fatal: Die Betreuerin, die sein Fehlen hätte bemerken können, war zu der Zeit im Urlaub. Eine Vertretung gab es nicht (Abendblatt berichtete). Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) forderte daraufhin "mehr Transparenz und bei massiven Problemen auch Eingriffsmöglichkeiten".

Die Behörde informierte Ende Dezember 2009 die Verbände über das neue Gesetz und die damit verbundenen Änderungen. Im Moment wird an einer Informationsbroschüre gearbeitet. Auch die Caritas, Dachverband der katholischen sozialen Einrichtungen in Hamburg, sei von dem Gesetz und den damit verbundenen Konsequenzen in Kenntnis gesetzt worden. In St. Vinzenz ist man ahnungslos: "Ich kenne die Details dieses Gesetzes noch nicht", sagt Thomas Willmann, der nach dem tragischen Tod des Rentners den Erzbischöflichen Stuhl als Träger von St. Vinzenz vertritt. Er habe noch keinen Hinweis von der Behörde bekommen, dass die Einrichtung die Anforderungen des Gesetzes nicht erfülle.

Nach dem Vorfall im Jahr 2008 musste der Träger in einigen Punkten nachbessern, etwa die technischen Möglichkeiten für einen Hausnotruf installieren - eine der zentralen Gesetzesanforderungen. Den können die Mieter nun gegen eine monatliche Gebühr von 18,36 Euro beim örtlichen Pflegedienst buchen - wenn sie zuvor ein Telefon beim Träger beantragt haben, was freiwillig geschieht.

Die Wochenstunden der Betreuerin wurden von 20 auf 30 Stunden aufgestockt. Eine Sozialpädagogik-Studentin unterstützt die Betreuerin und vertritt sie während des Urlaubs. "Außerdem haben wir Präsenzmelder in allen Wohnungen angebracht, die kurz vor Inbetriebnahme stehen", sagt Thomas Willmann. Die Bewohner könnten sich allerdings gegen eine Aktivierung entscheiden. In der katholischen Seniorenwohnanlage leben zurzeit 75 Menschen als Mieter. Von ihnen haben 39 einen Betreuungsvertrag. Seit 2009 ist dieser Vertrag, der eine regelmäßig vor Ort erreichbare Betreuungsperson, Information und Beratung, die Vermittlung von Dienstleistungen und Freizeitangeboten wie Gedächtnistraining oder Singkreis für eine monatliche Pauschale von 40,83 Euro anbietet, obligatorisch. Bewohner beklagen jedoch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. So wurden im Rahmen der vergangenen Weihnachtsfeier nur die Bewohner mit Betreuungsvertrag zum Kaffeetrinken eingeladen - die übrigen Bewohner nicht. "Der Vertrag soll sich auch lohnen", sagt Willmann. Die Betreuung in St. Vinzenz sei wie ein Klub. "Wer den Vertrag kündigt, hat eine klare Entscheidung getroffen." Ein per Gesetz geforderter Bewohnerbeirat, der die Interessen gegenüber der Einrichtungsleitung vertritt, wurde zwar direkt nach dem unbemerkten Tod des Mitbewohners gegründet. Aber nach Informationen eines Mieters ist er nicht aktiv. Lediglich eine Interessenvertretung von Mietern steht in Kontakt mit der Wohnungsverwaltung. Auch ein schriftliches Beschwerdemanagement, bei dem die Bewohner alle drei Jahre zu ihrer Zufriedenheit mit dem Leistungsangebot befragt werden, fehlt in St. Vinzenz. "Das müssen wir noch vorbereiten und durchführen", so Willmann.

Neben diesen Punkten sei der Vertreter zufrieden mit der Situation in St. Vinzenz. Bei der Weihnachtsfeier und bei der Bewohnerversammlung im April 2009 hätte er das Klima nicht als belastet empfunden. Dort wurden die Mieter auch über eine weitere Neuerung informiert: Seit vergangenem Sommer nutzt der katholische Wohlfahrtsverband Invia in Zusammenarbeit mit Team Arbeit Hamburg zuvor leer stehende Räume der Seniorenwohnanlage, um alleinerziehende junge Mütter auszubilden. Die Bewohner können seitdem frisch zubereitetes Essen aus der Lehrlingsküche genießen, natürlich gegen Aufpreis. Das ist dann wohl die neue Transparenz: Dass man es als kräftig zahlender Mieter im Klub St. Vinzenz besser hat, daraus macht der Träger keinen Hehl.