36 Ein-Euro-Jobber singen und tanzen an der Stage School vor. Sie galten als schwer vermittelbar. Nun winkt eine Ausbildung. Promis in der Jury.

Hamburg. Vor dem unscheinbaren Eingang stehen vier junge Menschen in der Kälte. Sie rauchen, schnappen noch schnell ein bisschen frische Luft und machen sich Mut. Mut für ihren ersten großen Auftritt in der Stage School an der Poolstraße.

"Mensch, das Schlimmste, was passieren kann, ist einfach, dass wir es nicht packen." Dann gehen sie auch schon die Treppe hinauf in den ersten Stock. Hinter einer Glastür erwartet sie die blaue Rezeption der Schule. Hellgelb gestrichene Wände, daran Fotos von ehemaligen Schülern. Ein Spiegel auf der gegen überliegende Seite verrät sofort: Hier wird getanzt - fast wie in den vielen Tanzfilmen, die es seit dem Kinoerfolg von "Flashdance" in den 80er-Jahren gibt.

"Wo muss ich denn jetzt hin? Und wo soll ich meine Nummer aufkleben?", fragt eine Kandidatin, die heute zum Casting gekommen ist. Noch in ihren Stiefeln mit Stulpen und Jeans - verlässt sie den Raum, um sich umzuziehen.

Es ist alles andere als eine gewöhnliche Aufnahmeprüfung. Heute wollen 36 Ein-Euro-Jobber im Alter von 17 bis 25 Jahren vorsingen und tanzen. Am Ende kommen 19 von ihnen weiter. Sie werden ein halbes Jahr lang in einer eigenen Klasse in den Disziplinen Gesang, Tanz und Schauspiel unterrichtet. Die anderen kommen weiter für drei Stunden die Woche hierher und haben die Chance, bei guten Leistungen wieder zu den anderen zu stoßen. "Es soll Ansporn und ein Ziel sein", betont Shaham Joyce.

Heute gehe es nicht wie bei Dieter Bohlens Castingshow um Aussehen, Showtalent und Perfektionismus. Vielmehr sollen Motivation, Lust und Improvisation im Vordergrund stehen.

Immer mehr Kandidaten erscheinen. Sie sind aufgeregt, haben eine Wasserflasche in der Hand, tragen Sportsachen: Jogginghosen à la "Streetstyle", kombiniert mit engen Shirts. Pünktlich um 9 Uhr geht es im Probenraum los. Weißer Stuck an der Decke, rote Vorhänge, Spiegelwand, Balletttanzstangen. Dann wird es ernst: Stage-School-Chefin Kim Moke begrüßt die Teilnehmer. In den nächsten vier Stunden wird eine fünfköpfige Jury das Geschehen begutachten. Unter den Juroren ist auch der Sänger Shaham Joyce von Bro'Sis und Kollege Volkan Baydar von Orange Blue. Die Stimmung heizt sich auf - im wahrsten Sinne des Wortes: Warm-up für jede Disziplin. Alle spüren, hier geht es um etwas, aber der Spaß steht im Vordergrund. Für manch einen sind die drei Bereiche völliges Neuland. Nur vier Tage lang hatten die Teilnehmer bisher Unterricht bei den Dozenten.

Kleine Patzer beim Tanzen und noch zittrige Stimmen beim Singen waren da nur verständlich. Davon ließ sich aber keiner aus der Ruhe bringen. Vielmehr schien das die Kandidaten noch mehr anzuspornen. Eine schauspielerische Herausforderung war das "Taxispiel". Dabei galt es viele unterschiedliche Stimmungen darzustellen: Trauer, Euphorie, Eile, Aggression. Einige wuchsen dabei über sich hinaus: Kristin Johnstone (20) hatte zuvor mit ihrer tollen Stimme sehr leise gesungen, jetzt sprang sie plötzlich auf einen Stuhl und rief laut "We will rock you!" "Eigentlich bin ich eher schüchtern. Der Workshop hat mir gezeigt, dass es nicht so schlimm ist, auf Leute zuzugehen." Unter die Ersten ist sie nicht gekommen - dafür gab es Zuspruch von Mitbewerber Steffen Müller (24): "Man kann ja jetzt noch aufsteigen. Und guck mal, du hast jetzt eine Chance, und gut singen kannst du auch." Ihm hat der Workshop mehr Sicherheit gebracht: "Ich bin jetzt nicht mehr der kleine Hartz-IV-Junge." Arian Dinkel (21) kam auch nicht unter die Ersten. Er ist trotzdem stolz: "Ich bin gerne hergekommen. Wir haben uns gegenseitig geholfen und verglichen. Das war spannend und super zugleich. Zudem haben wir durchgehalten." Dem stimmen auch Marcel Kumpinski (17) und Ericson Silver (18) zu. In dieser Woche hätten sie etwas gefunden, das sie gestärkt habe, nicht nur charakterlich, sondern auch beruflich. "Die Schauspielübungen haben mir gezeigt: Ich kann mich zum Affen machen und trotzdem Spaß haben - das ist nicht peinlich", sagt Jessica Koczorowski (25). Bereits um 5 Uhr früh war sie aufgewacht, konnte nicht mehr schlafen. "Da bin ich im Wohnzimmer noch einmal die Choreografie durchgegangen."

Pünktlich waren übrigens alle - außer Lucy von den No Angels. Sie hatte sich als Jurorin angekündigt und ist nicht erschienen.