Die Klage von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) über die verstärkte Wahrnehmung von Partikularinteressen zulasten des Gemeinwohls hat bei den vier Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaft ein unterschiedliches Echo hervorgerufen. "Das empfindliche Lamento des Bürgermeisters trägt auch Züge von Scheinheiligkeit", sagte SPD-Oppositionschef Michael Neumann. Wer die Bürgerrechte über die Volksgesetzgebung stärke, dürfe sich nicht wundern, wenn die Menschen die Rechte auch wahrnähmen.

"Herr von Beust kann aber Führung zeigen, indem der Senat die Entscheidungen, die ihm nicht passen, durch Evokation kassiert", sagte Neumann. "Nicht jede Entscheidung bei Bürgerbegehren ist richtig, weil hier St. Florian regiert", räumte der SPD-Politiker ein. Ihm sei aber kein Beispiel bekannt, bei dem "das Wohl der Stadt gefährdet" sei.

"Es ist gut und richtig, dass sich die Bürger stärker in die Politik einmischen", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. "Mit Sorge stellen wir aber fest, dass bei dem Engagement vor Ort häufig der große Zusammenhang nicht mehr wahrgenommen wird." Zudem würden Kompromisse häufig negativ bewertet. Kerstan: "Die Durchsetzung von Maximalforderungen wird öffentlich am höchsten dotiert."

Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn sieht keinen neuen Trend. "Politik stand schon immer im Spannungsfeld von Partikularinteressen", sagte Heyenn. Die Bürger orientierten sich zum Teil auch an Politikern, die "die Interessen ihrer Klientel auf Kosten des Allgemeinwohls durchsetzten".

Dem CDU-Fraktionschef Frank Schira hat Beust dagegen "aus dem Herzen gesprochen". Schira hält es für erforderlich, dass über eine Heraufsetzung der Hürden für den Erfolg von bezirklichen Bürgerbegehren diskutiert werden muss.