Die Reederei gibt dem Kapitän Mitschuld an der Hansa Stavanger-Entführung. Das halten die Nerven von Krzysztof Kotiuk nicht aus.

Hamburg. So voll ist es selten im Arbeitsgericht. Vor Beginn einer Verhandlung, die in einem Eklat gipfelt und in der Frage mündet, warum sie das Etikett Gütetermin trägt, wenn hier doch von gütlicher Einigung keine Rede sein kann.

Auf dem Korridor vor Saal 113 tummeln sich Journalisten, im Zentrum: Krzysztof Kotiuk (60), Kapitän des von Piraten entführten Containerschiffs Hansa Stavanger, und sein Anwalt Erwin Brandl. Abseits davon die Kombattanten, Vertreter der beklagten Reederei Leonhardt & Blumberg.

Obgleich das Gericht keine persönliche Anwesenheit angeordnet hat, ist Kotiuk von München nach Hamburg gereist. Er wolle Gerechtigkeit, sagt er. Es ist dem Kapitän anzumerken, wie schwer es ihm fällt, auf die immergleichen Fragen zu antworten. "Wie fühlen Sie sich?", "Sind Sie sauer auf die Reederei?" Der Kapitän lässt sich erschöpft auf eine Bank sinken. Und, ja, er sei verärgert, ja, er leide unter Albträumen und befinde sich in psychiatrischer Behandlung.

Vier Monate lang waren Kotiuk und die Crew der Hansa Stavanger in der Hand von Piraten. Im April hatten die Seeräuber den Frachter vor der somalischen Küste gekapert. Nachdem die Reederei nach eigenen Angaben 2,75 Millionen Dollar gezahlt hatte, kam das Schiff frei. Er fand, die Firma schulde ihm Dank. Stattdessen kündigte sie ihm betriebsbedingt, ihm als dienstjüngste Kapitän der Flotte. Kotiuk wurde im Juli 2008 von Leonhardt & Blumberg eingestellt - und zum 31. Dezember 2009 gefeuert.

Kotiuk hat geklagt gegen seine Entlassung - dabei weiß er nicht mal, ob er je wieder auf einer Brücke wird stehen können. Nicht ausgeschlossen, dass er aktuell auf hoher See ein Fischer- mit einem Piratenboot verwechseln würde. Er hat auch geklagt auf 28 350 Euro Entschädigung für das erlittene Leid während der Geiselnahme. Und auf 10 000 Euro Schadenersatz für seinen Besitz, der bei einem Panzerfaust-Angriff der Piraten auf die Stavanger zerstört wurde. Doch die Fronten sind verhärtet: Sein früherer Arbeitgeber ist vergnatzt, weil Kotiuk der Reederei öffentlich vorwarf, die Beendigung der Geiselhaft durch Taktiererei bei den Verhandlungen verschleppt zu haben. Einen "medialen Super-GAU" nennt das Jan-Thiess Heitmann, der die Reederei vor Gericht vertritt. Vor allem fordert Kotiuks Anwalt die Rücknahme der Kündigung. Für die Reederei indiskutabel. Von 53 Schiffen lägen 19 auf. Sechs Kapitäne habe die Reederei bereits entlassen. Ausländische Nautiker seien deutlich günstiger.

Günstiger auch als er, Krzysztof Kotiuk. Er schnaubt, lacht verächtlich. Und gerät richtig in Harnisch, als Heitmann ihm eine "erhebliche Mitschuld" an der Entführung unterstellt. 17 E-Mails habe ihm die Reederei geschickt, in denen sie ihn gewarnt habe, die Route mitten durchs Piratengebiet zu nehmen. Wie auf dem Präsentierteller habe er den Frachter den Piraten dargeboten. "Haben Sie Ahnung von Navigation?", blafft Kotiuk. Die Position des Schiffes sei im Internet zu finden gewesen, "jeder blöde Pirat kann das".

Sein Anwalt versucht die Wogen zu glätten. Man könne sich doch auf 25.000 Euro verständigen. Doch Kotiuk ist längst auf 180. Ein Mann, der sich als Opfer sieht und unversehens in die Täterrolle gedrängt fühlt. Die Richterin schlägt vor, man könne sich auf 19.000 Euro einigen, doch die Gegenseite bietet nur 12.000 Euro, da platzt Kotiuk der Kragen. "Ich bin kein Pirat", schreit er. "Vier Monate Reis und Milchpulver, ich habe meine Nerven und meine Gesundheit verloren. Mit den Reedereien ist es immer der gleiche Scheiß. Eine Schweinerei ist das", wettert er, schnappt sich seine Aktentasche, hastet aus dem Saal, knallt die Tür. Betretenes Schweigen im Raum.

Das Gericht erwartet nun die Stellungnahmen der Parteien. Am 4. Mai soll weiterverhandelt werden. "Ich hoffe, dass wir eine außergerichtliche Einigung erzielen werden", sagt Brandl. Sein Mandant indes hat bereits voller Wut das Gebäude verlassen.