Tilo Berlin gilt als Schlüsselfigur in der Affäre um den Verkauf der österreichischen Hypo Alpe Adria an Bayern, der zum Desaster wurde.

Hamburg/ München. Tilo Berlin hat seine Vision einmal so beschrieben: "Vermögen braucht Sinn, wenn es langfristig überleben soll." Wenn es nach dem Vermögen geht, hat Berlin alles richtig gemacht. Er ist mit seiner Investorengruppe bei der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) eingestiegen und hat kurz darauf seine Anteile mit großem Gewinn an die Bayerische Landesbank verkauft. Bis zu 150 Millionen Euro soll er dabei verdient haben.

Eigentlich könnte Tilo Berlin jetzt gelassen über den Sinn weiterer Anlagemöglichkeiten für sich und seine reichen Klienten nachdenken. Der 51-Jährige könnte sich unbekümmert um seine Hochlandrinder kümmern, die friedlich auf den Wiesen vor seinem Anwesen am Wörthersee grasen. Doch Tilo Berlin muss sich in diesen Tagen fragen lassen, ob sein Bankendeal wirklich so sinnvoll war. Staatsanwälte wollen von ihm wissen, ob er seine Millionen durch heimliche Absprachen machte. Der Mann, der in Hamburg seine Karriere als Vermögensberater startete, ist zur Schlüsselfigur in einem deutsch-österreichischen Wirtschaftskrimi geworden. Österreichischen Medienberichten zufolge soll Berlin gestern als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft München ausgesagt haben.

Die BayernLB wollte mit der Hypo Alpe Adria die Boomregion Balkan erobern. Doch die Übernahme wurde zum Desaster: Die österreichische Tochter machte nur Verluste. 3,7 Milliarden Euro deutsche Steuergelder wurden verbrannt. Im Dezember verkauften die Bayern die Tochter für einen Euro an Österreich. Damit nicht genug: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Bankchef Werner Schmidt wegen Untreue. Der Vorwurf: Die BayernLB hat 400 Millionen Euro zu viel für die HGAA gezahlt. Die Opposition in den Landtagen von München und Klagenfurt vermutet: Der überteuerte Kauf war ein abgekartetes Spiel zwischen Schmidt und Berlin.

Bayerns Staatsregierung ist blamiert: Der Verwaltungsrat der BayernLB mit CSU-Schwergewichten wie Günther Beckstein, Erwin Huber und Kurt Faltlhauser segnete das Geschäft damals ab. Ein Untersuchungsausschuss wird in den nächsten Wochen ihre Schuld untersuchen. Die Opposition im Kärntner Landtag will wissen, ob Politiker in Berlins Investorenkonsortium saßen und deshalb das Geschäft abnickten.

Rückblick: Ende 2006 geht es der HGAA schlecht. Der Bankchef muss gehen, weil er vertuschen wollte, dass sein Institut 300 Millionen Euro verspekuliert hat. Sogar der Entzug der Banklizenz droht. Dabei erscheint das Geschäftskonzept der Bank vielversprechend: Die HGAA ist in fast allen Balkanländern aktiv. Zu dieser Zeit gibt es erste Gespräche mit Tilo Berlin.

Der hatte seine Karriere bei der Deutschen Bank begonnen und war zum Vorstand bei der Landesbank Baden-Württemberg aufgestiegen. 1999 wechselt er nach Hamburg, wird Partner bei der Privatbank M. M. Warburg & Co. 2002 gründet er seine eigene Firma: die Berlin & Co. AG mit Sitz in der Hamburger Innenstadt und fünf weiteren Standorten. Das Unternehmen bietet Finanzdienstleistungen aller Art an, heute ist Berlin Aufsichtsratsvorsitzender. In Klagenfurt führt er noch seine "Berlin & Co. Holding GmbH": Er sammelt Geld bei Vermögenden ein und investiert es. Beteiligt an der Holding sind zum Beispiel Ferdinand Piëch, Sohn des VW-Aufsichtsratschefs, und Christoph Prinz zu Schleswig-Holstein. Wer noch zu seinen betuchten Klienten gehört, darüber schweigt Tilo Berlin. Ende Dezember 2006 kauft Berlin 25 Prozent der Anteile an der HGAA. Wusste er zu diesem Zeitpunkt bereits, dass die BayernLB bei der HGAA einsteigen will? Es gibt eine persönliche Verbindung: Berlin und Ex-Bankchef Schmidt waren Vorstandskollegen bei der Landesbank Baden-Württemberg. "Berlin und seine Klienten wussten, dass der Einstieg bei der HGAA ein sicheres Geschäft ist", sagt Eike Hallitzky, finanzpolitischer Sprecher der bayerischen Grünen, zum Abendblatt.

Jörg Haider, der als Kärntner Landeshauptmann die Anteile seines Bundeslandes an die Bayern Gewinn bringend verkaufen will, nutzt die Situation aus: Indem er öffentlich von anderen Interessenten spricht, steigt der Preis. 1,7 Milliarden Euro zahlt Schmidt für 50 Prozent plus eine Aktie. Tilo Berlin wird danach pikanterweise Chef der HGAA. Sein alter Freund Schmidt muss 2008 seinen Posten räumen. Als Trostpflaster bekommt er einen Beratervertrag bei der HGAA. Berlin scheidet im April 2009 bei der HGAA aus und kümmert sich seitdem um seine Hochlandrinder und seine vermögenden Klienten. Er lässt gegenüber dem Abendblatt erklären, die Spekulationen seien "haltlos und entbehren jeder Grundlage. Sämtliche Vorgänge, an denen Herr Dr. Berlin beteiligt war, waren korrekt und im Einklang mit allen Gesetzen." Schmidt bestreitet ebenfalls alle Vorwürfe.

Die HGAA hat den meisten kein Glück gebracht: Nicht nur Schmidt verlor seinen Job, auch sein Nachfolger Michael Kemmer. Die CSU steckt in der Krise. Und Berlin musste in der österreichischen Presse lesen, dass seine Verhaftung bevorstehe.

Nur einen richtigen Sieger gibt es: das Land Kärnten. "Kärnten wird reich", jubelte Haider nach dem Geschäft. Das sei "cool". Nach seinem Unfalltod ist es nun sein Nachfolger, der deutsches Steuergeld als Wahlgeschenk verteilen darf. Eltern in Kärnten müssen für ihre drei- und vierjährigen Kinder im Kindergarten nichts zahlen. Die Plätze sind kostenfrei, 75 Euro pro Kind und Monat kostet das. Geld gibt es auch für den Klagenfurter Flughafen und das Straßennetz. Seit diesem Jahr bekommen alle 16- bis 18-jährigen Jugendlichen "Jugendstartgeld" für den Führerschein oder die erste Wohnung: 1000 Euro. Das Geld stammt aus Deutschland.