Anmerkungen

Frau Steinbach erweckt den Eindruck, dass der Bund der Vertriebenen (BdV) für 15 Millionen Vertriebene spricht. Hierzu einige Anmerkungen: 1. Die Unterscheidung von Flüchtlingen - sie verließen ihre Heimat freiwillig - und Vertriebenen - sie mussten gehen - fällt vollständig unter den Tisch. 2. Ich bin im Oktober 1943 in Mährisch-Ostrau, dem heutigen Ostrava, geboren und musste mit Großeltern, Mutter und Geschwistern im Mai 1945 das Land verlassen. Der BdV hat, solange ich politisch denke, nie für mich gesprochen und tut es auch heute nicht. Ich fand und finde weiterhin die Politik dieses Verbandes rückwärtsgewandt, teilweise revanchistisch und sehr wenig auf Ausgleich mit Polen und Tschechien gerichtet. 3. Die individuellen Katastrophen der Flüchtlinge und Vertriebenen sind mir sehr wohl bekannt. Ich habe sie als Kleinkind miterlebt. Sie haben mein ganzes Leben stark beeinflusst und beeinträchtigen mich bis heute. 4. Für wie viele Vertriebene und Flüchtlinge spricht der BdV heute überhaupt? Ein Großteil der 15 Millionen lebt nicht mehr. Und: Wie hoch ist die Mitgliederzahl des BdV heute überhaupt? Darüber wird kein Wort verloren. 5. Herr Westerwelle hat schon recht: Gute Beziehungen zu Polen und Tschechien sind wichtiger als Frau Steinbach im Stiftungsrat. Vielleicht reagieren viele Polen etwas dünnhäutig in dieser Frage. Allerdings sollten wir dabei an die Geschichte, d. h. die Teilungen Polens und Besetzung des Landes unter den Nazis, denken.

Joachim Bauer, per E-Mail

Nachdenklich machen

Der Verzicht von Frau Steinbach kann nur dann ein fairer Kompromiss mit der FDP sein, wenn auch Herr Westerwelle von seinem Amt zurücktritt. Die beispiellosen Diffamierungen gegen Frau Steinbach in der polnischen Öffentlichkeit hätten den Außenminister nachdenklich machen müssen. Eine andere politische Einschätzung von politischen Zusammenhängen rechtfertigt nicht die zum Teil recht bösartigen Kampagnen. Als Außenminister, aber auch als FDP-Mitglied hätte es ihm gut angestanden, wenn er in Polen für Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt eingetreten wäre. Einer rechtspopulistischen Bewegung in Polen, die eher innenpolitisch begründet ist, nach dem Munde zu reden, das hat nichts mit Versöhnung zu tun.

Siegfried Meyn, per E-Mail

Mit Vernunft

Dieses unwürdige, unerträgliche Geschachere muss ein Ende haben. Das ist man auch den nicht BdV-nahen Vertriebenen schuldig. Es geht immerhin um eine Bundesstiftung, nicht etwa um eine BdV-Stiftung. Frau Steinbach spricht von einem "Weg der Vernunft". Ja, Zustimmung. Sobald sie zur Vernunft kommt und endlich verbindlich auf Dauer verzichtet - ohne unanständige Bedingungen -, ist der Weg frei für ein unverkrampftes, partnerschaftliches Miteinander zwischen Deutschland und Polen. Die Kanzlerin muss ihrer Parteifreundin Steinbach klarmachen: Alles ist in Gesetzen und Vereinbarungen festgelegt. Es gibt keinen Handlungs- oder Änderungsbedarf. Finanzierung durch den Bund und zahlenmäßige Berücksichtigung im Stiftungsrat sind schon jetzt ungewöhnlich überproportional und für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Die Forderungen von Steinbach und BdV sind absurd, unannehmbar; sie werden nicht diskutiert, schon gar nicht - auch nicht teilweise, ansatzweise - erfüllt.

Horst Schmidt, per E-Mail

Überheblich

Obwohl ich in Königsberg geboren bin und seit 1945 zu den Menschen gehöre, die flüchten mussten bzw. vertrieben wurden, kann ich nicht ohne Widerspruch hinnehmen, dass Frau Steinbach und der BdV sich als Vertreter dieser Menschen aufspielen und in überheblicher Weise im Stiftungsrat einen Sitz einfordern. Die Erinnerung an die Ostgebiete, an Flucht und Vertreibung wird durch andere Menschen wachgehalten. Ich denke da z. B. an die großartigen Bücher von Dönhoff, Surminski und Lenz.

Helga Wendt, Hamburg

Ort des Gedenkens

Frau Steinbach, geben Sie nicht auf. Für die vielen Kinder, die sinnlos und unschuldig ihr Leben lassen mussten für den verdammten Krieg. Für die vielen Toten, die noch irgendwo liegen - ohne Grab. Einer von ihnen ist mein Bruder, elf Jahre alt, der vor unseren Augen starb. Man trieb uns weiter, ohne dass wir Abschied nehmen konnten. Es geschah im Samlandkessel. Es wäre gut, einen Ort zu wissen, wo man demjenigen nahe sein könnte.

Edith Charlotte Helbing, Hamburg

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