Unternehmer Ludwig Görtz trifft Dirigent Christoph von Dohnányi.

Abendblatt:

Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen - ist Ihre große Gemeinsamkeit mit den Begriffen Autorität und Führungskompetenz treffend beschrieben?

Christoph von Dohnányi:

Schon, aber es gibt Strukturen, die heute sehr viel mehr auf dem altmodischen Begriff der "Autorität" aufbauen, im Sport zum Beispiel, das ist eine unglaublich autoritäre Menschenführung. Einer bestimmt - und wenn's nicht läuft, fliegt der Trainer raus. Das war in meinem Beruf - und in Ihrem sicher auch - eher früher so.

Ludwig Görtz:

Ja, früher war das Patriarchalische von größerer Bedeutung. Wenn allerdings ein Dirigent beide Arme hebt, sagt schon die Körpersprache: Alles hört auf mein Kommando. Das ist Autorität. Und wenn einer zu früh einsetzt, kriegt er womöglich eins mit dem Taktstock über. Das gibt es bei uns nicht mehr.

Dohnányi:

Das gibt es bei uns natürlich auch nicht mehr.

Abendblatt:

Nicht mehr ?

Dohnányi:

Nun ja, ich habe noch Toscanini gesehen. Wenn der rauskam und ihm passte das Parfüm eines Musikers nicht, hat er dem bloß ein kurzes "Out!" zugeraunt. Damals war Autorität wirklich Machtausübung.

Görtz:

Ich habe gerade ein Interview mit Anne-Sophie Mutter gelesen, die sagte: Dirigenten wollen herrschen. Das geht so in der Wirtschaft nicht mehr. Man muss mehr überzeugen als herrschen.

Dohnányi:

Ja, aber Frau Mutters Erziehung ist natürlich durch Karajan geprägt. Karajan ist eine ganz andere Generation. Der war wirklich der letzte Herrscher unter den Dirigenten. Sie haben vollkommen recht, heute muss man überzeugen, die Autorität wird nicht mehr einfach "verliehen" wie früher durch ein Erbe oder durch das Kapital.

Abendblatt:

Hat der veränderte Führungsstil Auswirkungen auf das Ergebnis?

Görtz:

Ich glaube ja. In der Unternehmensführung braucht man heute auch die Akzeptanz der Mitarbeiter, dann kann das Ergebnis deutlicher besser sein als vor 30, 40 Jahren, als qua Autorität ein Ziel vorgegeben wurde. Ist das bei Ihnen ähnlich?

Dohnányi:

Bestimmt sogar. Ein Orchester ist ein sehr heterogenes Kollektiv. Wir haben ein starkes Gemisch verschiedenster Denkweisen, ganz unterschiedlicher Menschen und Einflüsse ...

Görtz:

Frauen neuerdings!

Dohnányi:

Ja, Frauen! Ein Orchester ist ein ganz gutes Bild unserer Gesellschaft, das man mit einem Führungsstil überzeugen muss, der Resultate bringt. Letztendlich ist Ihr Beruf wie meiner: Wir sind alle resultatgebunden.

Görtz:

Am Ende zählt das Ergebnis.

Abendblatt:

Fühlen Sie sich an der Spitze manchmal einsam?

Görtz:

Gar nicht. Der Unternehmer kann das ganze Fachwissen gar nicht mehr allein beherrschen, er braucht also Berater.

Dohnányi:

Als Künstler ist man in gewisser Weise immer einsam, aber man hat als Partner immer die Kunst. In der Kunst ist die einzig ernst zu nehmende Autorität das Werk. Deswegen finden Sie heute sehr viel mehr Versuche, einem Werk die Buchstäblichkeit abzugewinnen. Es ist der Versuch, sich dem Werk unterzuordnen, allerdings kann kein Werk bestehen ohne die Individualität des Interpretierenden.

Abendblatt:

Hat Führen also auch mit Dienen zu tun?

Görtz:

Ja. Man dient dem Unternehmen, der Tradition, der Zukunftsfähigkeit. Zum Führen gehört auch Demut. Bescheidenheit. Realitätssinn. Damit man nicht die Bodenhaftung verliert.

Dohnányi:

(lächelt) Da hilft es, wenn man Hamburger ist.