Hamburg. Angesichts anhaltender Schneefälle und konstanter Minusgrade gleitet derzeit manch besorgter Blick über die abnehmenden Streusalzberge in den Hallen der norddeutschen Versorgungsdienste. Die ersten Horrormeldungen gibt es gleich dazu: Möglicherweise könne die Autobahn 7 im südlichen Niedersachsen in einigen Tagen nicht mehr komplett abgestreut werden, sollte der Nachschub stoppen, erklärte der Chef der Verkehrsbetriebe in Bad Gandersheim, Udo Othmer. Es gebe Pläne, dann nur noch eine Spur zu streuen und ein Tempolimit zu verhängen.

"Es ist jedes Jahr das Gleiche", sagt der Sprecher eines Stadtbetriebes. "Einige Kommunen haben nicht vorgesorgt und müssen jetzt um ihre Vorräte bangen." Das wiederum freue die Streusalz-Lieferanten, die die große Nachfrage teils auch auf die Preise übertragen. Auch die Kurse einiger börsennotierter Lieferanten, etwa der Firma Esco - European Salt Company, beziehungsweise ihres Mutterkonzerns K+S aus Kassel (plus 7,8 Prozent), stieg mit jedem Gramm Schnee, das vom Himmel fiel.

In Hamburg jedenfalls macht man sich keine Sorgen um schnee- und eisfreie Straßen. "Unsere Lager fassen zehn- bis zwölftausend Tonnen Streusalz", erklärt der Sprecher der Stadtreinigung, Reinhard Fiedler. "Auch wenn sie derzeit natürlich nicht mehr ganz voll sind." Pro Streugang in der Hansestadt würden 200 Tonnen verbraucht. Fiedler: "Selbst wenn wir die Vorräte nicht mehr auffüllen würden, hätten wir die nächsten zwei Wochen genug Streusalz."

Doch Nachschub ist schon in Sicht: Wenn alles gelaufen ist, wurde heute Morgen der Massengutfrachter "Tiwala" aus Marokko im Hafen gelöscht, der mehr als 5000 Tonnen Salz geladen hatte - bestimmt für die Firma Nordsalz mit Sitz in Leer, die auch die Hamburger Stadtreinigung versorgt. Dieses Salz stammt aus großen Salz-Tagebauen im Ausland, wo in kurzer Zeit viel Salz abgesprengt werden kann, wenn irgendwo auf der Welt ein Engpass droht. Salz aus Deutschland hingegen muss im kostenintensiven Bergbau gewonnen werden. Große Produktionssprünge seien da nicht drin, sagt ein Insider.

Eines dieser Bergwerke betreibt K+S in Grasleben. "Wir müssen unsere Aufträge derzeit priorisieren", sagte K+S-Sprecher Ulrich Göbel. Deshalb erhielten die für Autobahnen und Bundesstraßen zuständigen Kunden zuerst Auftausalze, so Göbel. Die Nachschubsituation sei deshalb etwas angespannt. Von enormen Lieferengpässen könne aber keine Rede sein.