Herbert Felkel wurde als erster Deutscher von der polnischen Gemeinde Stoszowice zum Ehrenbürger ernannt.

Hamburg. Zu Hause ist er in Hamburg, doch seine Heimat liegt 730 Kilometer entfernt, im schlesischen Eulengebirge: Seine Heimat ist das 1300 Einwohner zählende Städtchen Srebrna Góra, das noch Silberberg hieß, als Herbert Felkel dort 1932 im Rathaus geboren wurde. "Es ist der Ort meiner Kindheit, daran habe ich viele schöne Erinnerungen", sagt der 77-Jährige und zieht nachdenklich an seiner Zigarette.

Aber es ist auch der Ort, an dem sein Vater Robert als Demokrat von 1924 bis 1933 als Bürgermeister wirkte, ehe er von den Nationalsozialisten aus dem Amt schikaniert wurde. Und es ist auch der Ort, aus dem Herbert Felkel und seine Eltern gemeinsam mit den anderen deutschen Bewohnern am 13. April 1946, eingepfercht in Viehwaggons, vertrieben wurden. "Danach habe ich oft von Silberberg geträumt, aber hinfahren wollte ich vorerst nicht mehr", sagt Felkel, der bis 1992 in der Hauptverwaltung von Philips gearbeitet hat.

Erst fast 50 Jahre nach der Vertreibung reiste er als Rentner 1994 zum ersten Mal in die eigene Vergangenheit, holperte im Bus mit Ehefrau Ursula (73) fast zehn Stunden lang Richtung Polen. Das Rathaus stand noch, Herbert Felkels Elternhaus schräg gegenüber auch. "Aber mein Silberberg von früher war das nicht mehr." Die große Festung, von Friedrich dem Großen zwischen 1765 und 1777 erbaut, sei völlig zugewuchert gewesen. "In meiner Kindheit konnte man dieses Wahrzeichen, das über der Stadt thront, kilometerweit sehen", sagt Herbert Felkel und kramt in einem Berg aus historischen Bildern.

Denn die kleine Wohnung der Felkels ist, bis ins Badezimmer hinein, längst zum Archiv geworden - mit Hunderten von Zeichnungen, Gemälden und Büchern über Silberberg und Schlesien. Einige davon hat Herbert Felkel selbst geschrieben und herausgebracht. So hat der Hamburger, der mittlerweile 26-mal in seine alte Heimat gereist ist, mit Ehefrau Ursula in mühsamer Arbeit alle noch vorhandenen deutschen Grabsteine auf dem katholischen und evangelischen Friedhof von Silberberg dokumentiert. Unter anderem dafür wurde er jetzt ausgezeichnet: Herbert Felkel wurde - als erster Deutscher - von der polnischen Gemeinde Stoszowice, zu der das frühere Silberberg gehört, zum Ehrenbürger ernannt. Weil er "ein Ausnahmemensch ist, der die Historie der Stadt eingehend erforscht und zwischen heutigen und früheren Bewohnern vermittelt", heißt es in der Urkunde, die Herbert Felkel feierlich überreicht wurde. "Eine große Ehre, mit der ich niemals gerechnet habe."

Selbstverständlich sei es doch, dass er sich für seine Geburtsstadt einsetze. So hat sich Felkel gemeinsam mit Thomas Przerwa, einem Geschichtsstudenten aus Breslau, dafür starkgemacht, dass die Festung von Bäumen und Sträuchern befreit wurde und originalgetreu restauriert wird. Mit Erfolg: Mittlerweile steht das Bauwerk unter Denkmalschutz und wird als "Kulturpark Festung Silberberg" aus Brüssel mit Geld aus dem Weltkulturerbe-Fonds gefördert. Tausende von Touristen besichtigen das Wahrzeichen Jahr für Jahr, kurbeln die lokale Wirtschaft an.

"Silberberg ist eine Reise wert", zitiert Herbert Felkel den Werbespruch der Stadt. Nur wann er das nächste Mal nach Srebrna Góra reist, das weiß er noch nicht. "Es kostet ja auch immer ein bisschen", sagt der Vater zweier erwachsener Kinder. Vielleicht, sagt er, finden sich weitere Silberberger, die seine Arbeit unterstützen.