Die boomende Branche verzeichnet an der Elbe derzeit rund 250 offene Stellen. Neue Firmen drängen an den Markt.

Hamburg. Einen Nachmittag lang als Cowboy durch den Wilden Westen reiten. In schwerer Ritterrüstung eine Burg verteidigen, eine Hühnerfarm oder eine Karriere als Model aufbauen - all diese Erfahrungen sind, zumindest virtuell, in den Weiten des Internets möglich. Meist sogar zum Nulltarif: Bei deutschen Firmen hat sich ein Gratismodell durchgesetzt, bei dem der Nutzer nur freiwillig für kleine Extras zahlt. Die Onlinespiele sind dementsprechend beliebt - gut 14 Prozent aller Bundesbürger über 14 Jahren, also mehr als zehn Millionen Menschen, verlieren sich nach einer Umfrage des Verbands Bitkom gern in virtuelle Spielwelten.

Diese Fluchtwege aus der Realität werden von einer Branche erschaffen, die derzeit so stark wächst wie kaum eine andere. Die kostenlosen Spiele, für die der Nutzer nichts als einen Internetzugang braucht, gelten als einer der wichtigsten Zukunftsmärkte der Unterhaltungsindustrie. "Browsergames sind momentan der absolute Wachstumstreiber", sagt Achim Quinke, Projektleiter des von der Stadt geförderten Netzwerks Gamecity Hamburg. Junge deutsche Firmen mischen international ganz oben mit, seit die ersten kommerziellen Spiele 2004 auf dem Markt - also im Netz - auftauchten. 2009 ist der Umsatz mit Onlinespielen in Deutschland nach Quinkes Einschätzung bereits auf rund 250 Millionen Euro gestiegen. Und auch für die kommenden Jahre werden zweistellige Zuwachsraten erwartet. Davon profitiert vor allem Hamburg, der selbst ernannte "Hafen der Spieleindustrie": Etwa ein Drittel aller rund 100 deutschen Unternehmen, die Onlinespiele entwickeln, sind nach Brancheninformationen in der Hansestadt ansässig. "Onlinespiele sind ein Jobmotor", sagt Quinke. "Wir gehen von mindestens 250 offenen Positionen bei den Hamburger Firmen aus."

Wohin dieses Wachstum führen kann, ist gut am Channel Hamburg zu beobachten, dem IT-Standort in Harburg. Dort hat die junge Firma Innogames mit 60 Mitarbeitern im Oktober ihre neuen Büroräume bezogen. Mit der Option auf eine zusätzliche Etage - die 900 Quadratmeter Fläche könnten nämlich schon bald wieder zu eng werden. "Wir wollen das Personal im kommenden Jahr verdoppeln", sagt Michael Zillmer, einer der drei Geschäftsführer von Innogames. Mit nur 23 Jahren hat er 2007 das Unternehmen gemeinsam mit den Brüdern Hendrik und Eike Klindworth gegründet. Anfang Dezember startete das Trio sein drittes Browsergame, das die Nutzer in die Antike entführt und für den Deutschen Entwicklerpreis 2009 nominiert war. "Unser Jahresumsatz wird erstmals im zweistelligen Millionenbereich liegen", sagt Zillmer.

Auch die Konkurrenz braucht Verstärkung, um weiter zu wachsen. So will die Gamigo AG aus Ottensen 2010 von 70 auf 100 Mitarbeiter aufstocken. Die Spieleschmiede Farbflut Entertainment aus Harvestehude will ihre 20 Stellen mindestens verdoppeln. Das etablierte Hamburger Unternehmen Bigpoint, einer der Weltmarktführer bei Onlinespielen, expandiert ebenfalls rasant. Gerade hat Geschäftsführer und Gründer Heiko Hubertz für die 304 Angestellten weitere Büroräume in Eppendorf angemietet und das Berliner Entwicklerstudio eLoft mit acht Mitarbeitern übernommen. Die Umsätze haben sich 2009 dank der mittlerweile 100 Millionen Nutzer mehr als verdoppelt und den hohen zweistelligen Millionenbereich erreicht. Und ein Ende des Booms ist bislang noch nicht in Sicht: "Schon heute sind wir der größte Arbeitgeber im Bereich Computerspiele in Hamburg", sagte Hubertz dem Abendblatt. "2010 wollen wir mehr als 100 weitere Stellen schaffen."

Begehrt sind vor allem Programmierer, Game Designer und Entwickler, aber auch Muttersprachler aus allen Ländern der Erde. Das entsprechende Personal zu finden, wird allerdings zunehmend zum Problem. "Um die wenigen Absolventen reißt sich eine ganze Branche, da gibt es großen Ausbildungsbedarf", sagt Hubertz. So dürfte es die Jobmacher freuen, dass auf Initiative der Gamecity im Frühjahr der neue Masterstudiengang "Sound, Vision, Games" an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft den Lehrbetrieb aufnimmt. Dort sollen immerhin 20 Studenten in drei Semestern für die Herausforderungen der Boombranche fit gemacht werden. Eine blühende Fantasie gehört bei den Bewerbern zur Grundvoraussetzung. Schließlich sollen sie in Zukunft die virtuellen Welten entwerfen, mit denen Millionen Spieler ihrem Alltag entfliehen.