Zwei Daten kennzeichnen Freud und Leid von Befürwortern und Gegnern der großen Schulreform in diesem Jahr besser als alle anderen: Am 7. Oktober beschloss die Bürgerschaft das neue Schulgesetz mit der Einführung der umstrittenen Primarschule. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) durften jubeln: Nicht nur die Abgeordneten der schwarz-grünen Koalition, sondern auch 14 Parlamentarier der Opposition stimmten für die Reform.

Dann der politische Wettersturz für den Senat: Am 17. November, nur gut fünf Wochen später, endete das Volksbegehren gegen die Primarschule. Ein machtvoller Protest - 184 500 Unterschriften lieferte die Volksinitiative "Wir wollen lernen" in der Innenbehörde ab. Gut 61 000 hätten genügt. Jetzt triumphierten die Gegner der Reform, ein Sammelbecken engagierter Bürger ohne vorherige Kampagnenerfahrung. Bürgermeister Ole von Beust sprach von einem "Paukenschlag" - nicht zuletzt gegen seine Politik.

Kein Thema der Landespolitik wurde so breit diskutiert, über keines wurde wohl auch so heftig gestritten. Die Schulreform hat viele Menschen politisiert und die Stadt wohl auch polarisiert. Die aktuelle Meinungsumfrage des Abendblatts belegt, dass die Zahl derjenigen, die sich in Sachen Schulreform noch nicht festgelegt haben, auf nur noch 15 Prozent geschwunden ist. Nach jetzigem Stand sind 45 Prozent gegen die Primarschule und 34 Prozent dafür. Aber schon wenn das Elternwahlrecht, das Schwarz-Grün für die weiterführenden Schulen abgeschafft hat, in alter Form wieder eingeführt wird, hat die Primarschulreform eine knappe Mehrheit laut Umfrage.

So war zwar 2009 das Jahr der großen schulpolitischen Auseinandersetzung in Hamburg. Das Jahr der Entscheidung über die Reform ist jedoch 2010. Nach dem Erfolg des Volksbegehrens will die schwarz-grüne Koalition mit den Reformgegnern, aber auch mit Parteien und Verbänden über einen Kompromiss verhandeln. Ziel ist ein breit getragener Schulfrieden, der zehn Jahre halten soll. Scheitern die Bemühungen des Unternehmers Michael Otto, der als Moderator tätig geworden ist, dann kommt es im Sommer zum Volksentscheid. Dann stimmen die Hamburger über sechs Jahre gemeinsames Lernen ab. Das Ergebnis des Volksentscheids ist bindend, darauf haben sich CDU und GAL verständigt.