Hier tanzte die Elbe mit der Alster. Seit Sonntag ist der renommierte Traditionsbetrieb geschlossen. Abtanzbälle wurden abgesagt. Jugend-Disco und Tanztees fallen vorerst aus.

Es ist und war die Tanzschule der Hamburger Gesellschaft. Hier treffen sich seit Generationen die Kinder von der Elbe, um mit jenen von der Alster die ersten Walzerschritte zu erlernen, aber auch die ersten privaten Verbindungen zu knüpfen. Hier lernten schon Johannes B. Kerner, Jette Joop, Helmut Schmidt, Carlo von Tiedemann, die Kinder der Bürgermeisterfamilie Sieveking und der Verlegerfamilien Jahr und Augstein, wie man sich auf Bällen benimmt und die Damen beim Tanzen aufs Parkett geleitet: die Tanzschule Möller & Wendt, der Treffpunkt junger, aber auch älterer Tänzer, ist mit vier Tanzsälen und einer Bar Norddeutschlands größte Tanzschule im ADTV, dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer Verband.

Seit Sonntag ist die 1946 gegründete und im Jahr 2000 am Klopstockplatz (Ottensen) auf zwei Ebenen und 900 Quadratmetern neu eröffnete Tanzschule geschlossen. Von ursprünglich acht Tanzlehrern warten die übrig gebliebenen vier nun auf ihr Dezembergehalt, wissen nicht, wie es weitergehen soll. Finanz- und Gesundheitsprobleme des Inhabers Jan Giesel (42) seien der Grund, heißt es bei Mitarbeitern und Eltern von Tanzschülern, deren Kurse eigentlich im kommenden Januar mit den traditionellen Abschlussbällen feierlich beendet werden sollten.

"Ich habe meinen gut dotierten Job in einer Ahrensburger Tanzschule aufgegeben, weil mir der Inhaber Jan Giesel eine tolle berufliche Zukunft versprochen hat. Unser Novembergehalt haben wir Angestellten erst nach massivem Druck überwiesen bekommen", klagt ein Tanzlehrer, der namentlich nicht genannt werden möchte. "Ich bin seit Oktober zur Rettung der Gesamtsituation von Herrn Giesel eingestellt worden. Doch er entzieht sich komplett seiner Verantwortung. So war er von September bis zum 2. Dezember im Krankenhaus und hat sich seitdem nicht bei uns gemeldet. Ein unhaltbarer Zustand für alle", sagt Tanzlehrer Holger Hesebeck, ehemaliger Mitarbeiter der damals noch unter dem Namen Möller arbeitenden Tanzschule. Erst im März dieses Jahres hatte es einen kompletten Mitarbeiterwechsel gegeben. Mühsam habe man versucht, den Betrieb auch wegen der vielen langfristig gebuchten Kurse aufrechtzuerhalten. In den besten Zeiten veranstaltete die Tanzschule Möller & Wendt, die auch für die Sonnabend-Disco für Kids, den traditionellen Tanztee sowie Benimm- und Hip-Hop-Kurse bekannt ist, bis zu 60 Kurse pro Woche.

Doch die Finanzsorgen und die Abwesenheit des Inhabers brachten ständig neue Probleme. So mussten die Eltern von vier privat organisierten Kursen mit rund 150 Kindern selbst dafür sorgen, dass die ihnen noch zustehenden Reststunden am Klopstockplatz absolviert werden konnten. Deren geplanter Abschlussball will man nun auf Privatinitiative im Februar versuchen zu organisieren.

"Es gab seit Monaten Probleme mit dem Inhaber, der offensichtlich starke gesundheitliche Probleme hat, immer wieder im Krankenhaus war und sich nie blicken ließ. Die Organisation war teilweise chaotisch, eine zugesagte Vorbuchung für unseren Abschlussball im Hotel Atlantic hat nie stattgefunden", sagt Anwalt Dr. Matthias Baus, dessen Tochter in einem Privatkursus war. "Die Angestellten wussten zum Teil selber nicht, wie es mit ihrer Schule weitergeht, weil es seit Monaten wohl immer wieder Geldsorgen gab. Es ist so schade, weil unsere Kinder sich so auf ihren Abtanzball gefreut hatten, wo sie ja auch als Debütanten vor ihren Eltern vorführen sollten, was sie gelernt haben", sagt eine betroffene Mutter. Das ganze Drama, der Beginn des Niedergangs der Tanzschule, welche erst vor drei Jahren mit der damals insolventen Tanzschule Wendt aus der Innenstadt fusionierte und so deren prominente Kundendatei übernahm, begann schon 2007.

Damals war im Juli unter dem Aktenzeichen 67b/IN 201/07 ein unternehmerisches Insolvenzverfahren gegen die Tanzschule Möller & Wendt eröffnet worden. "Wir haben dann einen Insolvenzplan gemacht und konnten den Betrieb im Juni 2008 bereits als schuldenfrei saniert wieder eröffnen", sagt der damalige Insolvenzverwalter Jörn Weitzmann von der Kanzlei Kilger und Fülleborn.

Doch offensichtlich gab es kurze Zeit später wieder Geldsorgen, die sich inzwischen auf Schulden in sechsstelliger Höhe belaufen sollen.

"Der Betrieb ist die ganze Zeit von den Mitarbeitern ohne Herrn Giesel aufrechterhalten worden. Viele Kunden ahnten wohl von den Nöten, haben uns aber trotzdem vertraut. Das ist sehr viel unterm Deckel gehalten worden", sagt Holger Hesebeck, der in den letzten Tagen noch Kurse gegeben hatte.

Beim Amtsgericht Mitte wurde im November dann erneut ein Antrag auf ein Insolvenzverfahren gestellt. Unter dem Aktenzeichen 67b/IN 294/09 war es beim Insolvenzgericht vermerkt. Merkwürdig ist, dass der Antrag am 2. Dezember wieder zurückgezogen wurde. Der Tag der Entlassung von Jan Giesel aus dem Krankenhaus.

"Das Ganze ist eine verworrene und traurige Geschichte. Der Name Möller & Wendt stand immer für Qualität und Spaß, und die Kinder haben beim Tanzen schnell neue Freunde aus anderen Hamburger Stadtteilen kennengelernt. Für die inzwischen beendeten Kurse hätten wir uns einen schöneren Abschluss als diesen gewünscht", sagt Vater Dr. Matthias Baus.