In der Affäre um den Stimmzettelklau bei der SPD ist es zu einer spektakulären Entwicklung gekommen: "Die Spitzenkandidatur von Mathias Petersen ist in unzulässiger Weise verhindert worden", stellt der frühere Harburger SPD-Kreischef Harald Muras in seinem Bericht zu der Affäre fest. Das Ergebnis sei eindeutig, sagte der Anwalt gestern Abend in der SPD-Zentrale. Muras lastet die Verfehlungen dem damaligen Landesvorstand an. Da Petersen bei der Mitgliederbefragung trotz des Stimmzettelklaus uneinholbar vor Dorothee Stapelfeldt lag, hätte die Parteiführung ihn zum Kandidaten ernennen müssen, statt geschlossen zurückzutreten.

"Mathias Petersen ist übel mitgespielt worden", sagte der SPD-Landesvorsitzende Olaf Scholz. "Das darf sich nicht wiederholen." Mit dem zehnseitigen Muras-Bericht, den die SPD gestern Abend veröffentlichte, sei die "belastende und bedrückende Vergangenheit der SPD Hamburg" aber politisch aufgearbeitet worden, so Scholz.

Muras war von Scholz um eine politische Bewertung der Ereignisse Ende Februar 2007 gebeten worden. Damals war bei der Auszählung der Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl 2008 herausgekommen, dass rund 1000 Stimmzettel gestohlen worden waren. Bis heute sind der oder die Täter nicht ermittelt worden. Der Stimmzettelklau stürzte die SPD in ihre seit Jahrzehnten schwerste Krise und wirkt als Trauma der Partei bis heute fort.

Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht der damalige SPD-Vorsitzende Mathias Petersen. Er wurde um die Bürgermeister-Kandidatur gebracht.

Scholz hatte nach seiner Wahl zum SPD-Landeschef Anfang November erklärt, er wolle mit Petersen gemeinsam das düstere Kapitel der Parteigeschichte aufarbeiten und beenden. Es ist als Signal zur Kooperation zu werten, dass der Ex-Parteichef gemeinsam mit Scholz und Muras dessen Bericht vorstellte. "Ich bin Mathias Petersen dankbar, dass er seinen Beitrag leistet", sagte Scholz.

Petersen selbst ließ die Frage, ob er sich erneut um die Bürgermeisterkandidatur bewerben werde, offen. "Das ist für mich jetzt überhaupt kein Thema", sagte er. Die Betonung, dass diese Aussage nur für den Moment gelte, darf als Indiz gewertet werden, dass Petersen das Ziel noch nicht abgehakt hat. Gleichwohl gab er sich gelassen: Er sei mit dem Stimmzettelklau schon lange durch. Allerdings verwies Petersen auf eine "kriminelle Zelle in der Partei", die es noch gebe und die sogar Protokolle des Landeskriminalamts fälsche, um Parteimitglieder in Misskredit zu bringen. Das gefälschte Schriftstück hatte kürzlich für Furore gesorgt. Darin sollen Petersen und sein Bürgerschaftskollege Thomas Böwer den früheren Parteisprecher Bülent Ciftlic als Drahtzieher des Stimmzettelklaus denunziert haben. Die Unterschrift stammte aber von einem LKA-Beamten, der gar nicht mehr im Dienst war.

Muras hat sich mit allen Beteiligten der Vorgänge unterhalten. Dabei habe er viele kluge und nachdenkliche Genossen erlebt, "die aber dennoch an Ereignissen mitgewirkt haben, die menschlich unanständig, politisch unzulässig und verfahrensmäßig undemokratisch gewesen sind".