Axel Tiedemann fragt spontan Menschen, was sie gerade bewegt, lädt sie auf einen Kaffee ein und lässt sie erzählen. Heute: Johann Matthies aus Finkenwerder

Sich auf einen Kaffee einladen lassen und etwas erzählen - und dann noch von sich selbst? Skeptisch blickt Johann Matthies rüber auf den Steg. "Nee, keen Tied", knurrt er und zieht weiter an dem Stellnetz. Sein offenes Boot dümpelt vor dem Fähranleger auf Finkenwerder, ein feuchter Wind pfeift über das Wasser. Man kommt ins Gespräch. Von Steg zu Boot, von Boot zu Steg. "Ach, den Oestmann kennst du auch? Na - komm mal ruhig rüber." Also doch eine kleine Pause mit dem Kaffeebecher.

Matthies, 69 Jahre alt und von kräftiger Statur, pult jetzt die großen Zander aus den Maschen. Manche zappeln noch. "Knack!" macht es, als er mit dem Handgriff eines großen Schraubenziehers kurz auf eine Stelle dicht am Kopf des gut 40 Zentimeter langen Fisches haut. "Der ist jetzt beduselt", sagt er und wirft ihn in einen Bottich. Macht ihm das nichts aus, einen Fisch, ein Lebewesen, zu töten? Matthies blickt kurz hoch, Falten umziehen seine Augen: "Das ist das Leben", sagt er nur und schweigt kurz. "Und zum Leben gehört genauso, dass man mit zunehmendem Alter erleben muss, dass immer mehr Bekannte beerdigt werden." Er winkt kurz mit der Hand ab und lächelt. "Die Einschläge kommen eben näher." Wieder weht eine kräftige Böe über das Wasser, Feuchtigkeit und Kälte dringen durch die Jacke. Auch bei solchem Wetter ist Matthies jeden zweiten Tag draußen mit seinem Boot. "Macht mir nix aus, erst bei Eisgang höre ich auf." Auf Finkenwerder Köhlfleet und vor Blohm + Voss fischt er Zander. "Und jetzt im Winter diese hier", sagt er und wirft einen kleinen, silbernen Fisch zu. Ein Stint. "Jetzt schmecken sie am besten."

Matthies kennt sich aus. Bis vor zehn Jahren hatte er noch einen großen Kutter, einen der Letzten aus dem einstigen Fischerdorf. Bis in die nördliche Nordsee fuhr er im Sommer, im Winter ging es auf Dorschfang in die Ostsee. Doch dann kam "die ganze Sache mit den Quoten", er verkaufte den Kutter. Auch weil es keinen Nachfolger gab. "In Dütschland wollen sie heute ja nur noch im Sessel arbeiten", knurrt er. Und zieht wieder am Netz.