Die deutschen Innenminister wollen die steigende Gewalt gegen Polizisten mit einem umstrittenen Fragenkatalog untersuchen lassen.

Hamburg. Die steigende Gewalt gegen Polizisten bereitet Deutschlands Innenministern große Sorge. Deshalb beschlossen sie nach komplizierten Verhandlungen auf der Innenministerkonferenz (IMK), diese Entwicklung untersuchen zu lassen. Den millionenschweren Auftrag bekam das renommierte Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen unter der Leitung von Professor Christian Pfeiffer. Dessen Wissenschaftler haben einen 39 Seiten langen und in 109 Kategorien unterteilten Fragenkatalog erarbeitet, mit dem die Ursache und die genaue Anzahl der Übergriffe auf Beamte ermittelt werden soll. 260.000 Landes- und Bundespolizisten sollten ihn ausfüllen. Doch nun regt sich bei den Beamten und Innenministern Widerstand.

Grund sind Fragen danach, ob Polizisten in ihrer Kindheit mit ihren Eltern "geschmust" hätten. Sie sollen Aussagen darüber treffen, ob sie "aus der Haut fahren" oder "losschlagen" könnten, wenn sie gereizt würden. "Das sind tendenziöse Fragen, die unterstellen, dass Polizeibeamte aggressiv sind", empört sich Joachim Lenders, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Hamburg. "Das impliziert, dass Gewalt gegen Beamte tolerabel ist." Aus seiner Sicht würden auch Fragen nach der Kindheit nahelegen, dass die Beamten "selbst schuld sind, wenn sie mit Steinen beworfen werden".

Das sieht Kriminologe Pfeiffer indes völlig anders. "Wir wollen die Beamten dafür sensibilisieren, dass das eigene Verhalten Auswirkungen haben kann. Jemand, der in der Kindheit Gewalt erfahren hat, hat ein doppeltes Risiko, auch als Erwachsener Opfer zu werden, weil er bei Konflikten weniger souverän ist." Durch die Ergebnisse der Studie könnten die Polizisten gezielter trainiert werden, wie sie sich in bestimmten Situationen besser verhielten.

Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) will sich offiziell nicht zu dem Streit über den Fragebogen äußern. Nach Abendblatt-Informationen hat er sich aber unlängst bei dem IMK-Vorsitzenden, dem Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), dafür eingesetzt, die Fragen zu überarbeiten. So werde er nicht zustimmen. Ahlhaus gab zu bedenken, ob künftig nicht auch andere Forschungsinstitute derartige Untersuchungen erarbeiten sollten.