Seit 1965 hat Franz Nickel 5500 Autos verkauft. Jetzt muss er seinen Platz räumen. Künftig will er online Autos verkaufen.

Hamburg. Etwas wehmütig sitzt Franz Nickel (63) hinter seinem Schreibtisch in der 25 Quadratmeter großen Holzhütte mit blauen Vorhängen an der Grindelallee 29. Die leicht verstaubte Schreibtischlampe brennt, an den Wänden hängen Bilder von Oldtimern und seinen Töchtern. Wo sonst sein Schäferhund namens Held direkt am Fenster der Hütte saß, stehen Umzugskartons.

"Die muss ich jetzt wohl mal nach und nach packen", sagt der Autohändler. Vor ihm steht eine herausgezogene Schreibtischschublade, in der Autoschlüssel liegen. "Franz, ich brauche jetzt den Schlüssel von dem silbergrauen Model da vorne", sagt ein Lkw-Fahrer. In diesem Moment ist es so weit: Der letzte Autohändler an der Grindelallee schließt. Die Autos werden auf einen Laster gefahren. Sie sollen versteigert werden.

Seit 1965 hat Franz Nickel 5500 Autos verkauft, zumeist Mercedes-Wagen. An der Mundsburg aufgewachsen, hat er in seiner Jugend Brötchen ausgetragen, für Rentner in der Nachbarschaft Pakete zur Post und Heizöl in die oberen Stockwerke gebracht. Der gelernte Konditor hatte einen Traum, einen Ford 15M de Luxe wollte er sich kaufen. Mit 18 Jahren hatte er genügend Geld zusammen und kam so zu seinem ersten Auto. Allerdings verkaufte er ihn schon wieder nach nur zwei Wochen. "Ich hatte ihn für 800 Mark erworben und habe ihn für 2000 Mark wieder verkauft. Von da an stand für mich fest, ich werde Autoverkäufer", erinnert sich Nickel. Als die Holzhütte an der Grindelallee in den 60er-Jahren versteigert werden sollte, war Franz Nickel zur Stelle. Er sprach mit dem Besitzer des Gründstücks, der die Holzhütte ersteigerte und an ihn für 1600 Mark vermietete.

Ein hoher Preis, für den Franz Nickel oft belächelt wurde: "Die anderen Autohändler hier an der Grindelallee haben mich ausgelacht und gesagt, ich würde spinnen. Nun habe ich am längsten von allen überlebt", sagt Nickel. Der letzte Mitbewerber hat vor etwa 20 Jahren sein Geschäft aufgegeben. Franz Nickel hatte damit gerechnet, 2010 sein Geschäft aufgeben zu müssen, aber nicht, dass es so plötzlich passieren würde. Vor einer Woche hat er den Bescheid der Grundstückseigentümer, HWS Immobilien, bekommen, dass er bis zum 16. November den Platz räumen muss. "Natürlich ist mir erst mal alles aus dem Gesicht gefallen, als ich davon hörte, aber ich habe mich jetzt damit arrangiert. Ich werde künftig online Autos verkaufen.

Wo sonst 15 bis 25 Autos parkten, wird ab heute ein Bagger stehen, der ein Stück Hamburger Geschichte abreißt. Vom Frühjahr 2011 an soll hier ein sechsstöckiges Mehrfamilienhaus entstehen mit zwei separaten Eingängen.

Einer von der Grindelallee aus zu den 90 Quadratmeter großen Mehrfamilienwohnungen und der andere vom Grindelweg. Dieser Eingang führt dann in 20 bis 35 Quadratmeter große Studentenwohnungen. Im Ladengeschoss wird der Computerhändler Gravis neue Räume finden.