Bilder auf Seekarten sind sein Markenzeichen geworden. Eine aktuelle Ausstellung ist derzeit in der Innenstadt zu sehen.

Willkommen im Paradies kreativen Schaffens. Das Auge sucht Halt, findet aber keinen - zu vielfältig und farbenfroh sind die Anziehungspunkte. Andererseits macht Suchen Spaß. Zwischen bunten Tuben, Hunderten Pinseln, jeder Menge Plakate, diversen Brillen, Rettungsringen, Weihnachtskugeln und Leuchtfischen steht der Herr des Ateliers: Ole West (56), waschechter Künstler von der Küste, Paradiesvogel par excellence.

"Moin!", sagt er herzhaft und schüttelt die Hand entsprechend. Erstaunlich für einen Kunstmaler mit sensiblen Fingern, denkt der neugierige Besucher und fügt die primäre Frage gleich nach. Ja, so die Antwort, der Name ist echt. So wie alles hier im 120 Quadratmeter großen Arbeitsraum im ersten Stock eines äußerlich gesichtslosen Gewerbegebäudes an der Hafenstraße zu Wedel. Nebenan fließt die Elbe; bis zum Schulauer Fährhaus sind es keine 300 Meter.

"Ich bin wieder zu Hause", fährt Ole West fort und genießt dann schweigend die zusehende Begeisterung des Gastes. Über die bayerische Harfe, verziert mit Möwenfedern, über Gitarren, Banjos, Notenblätter, über Druckpressen, Schränke voller Kunstbücher, Papierfiguren aus Wallensteins Lager, Tim und Struppi, über Promenadenmischung Trine, Letztere höchst lebendig, über geordnetes Chaos in Reinkultur. Und über den Mann dazwischen, eine Type schon auf den ersten Blick, ausgestattet mit Seemannspulli, Vollbart, lichtem Haupthaar, Zopf, lebendigen Augen und ansteckendem Lachen.

Dick gestapelt liegen Berge originaler Seekarten, jene Drucksachen, die den Künstler groß gemacht haben. Weil dem seinerzeit noch unbekannten Kreativen eines Tages Ende der 80er die Idee kam, maritime Motive darauf zu malen. Leuchttürme, Schiffe, Fische, Hummer, anderes Seegetier.

Diese Initialzündung, produziert in einer braunrot getünchten Holzhütte hinter den Dünen Norderneys, machte West zu einem namhaften Maler Norddeutschlands. Seine Werke sind überall zu sehen: auf Plakaten, in Galerien, Museen, Rathäusern, Schulen, mehrfach sogar in New York. Am Donnerstag wurde seine Ausstellung "Hamburg West-lich" bei "RahmenArt" am Großen Burstah 29 in der Hamburger Innenstadt eröffnet. Bis zum 7. Dezember sind echte Kunststücke zu sehen. Renommierte Galerien buhlen um Ole Wests Werke, der jedoch bleibt dem kleinen Partner der ersten Stunde treu. Passt ins Bild.

Und warum ist er seit knapp einem Jahr wieder zu Hause in seiner Geburtsstadt Wedel? Statt einer Antwort schlurft West in die Ecke, holt zwei Pötte mit Kaffee und bittet an einen Holztisch inmitten des Ateliers. Erst offeriert er Butterkekse und Kräuterbonschen vom Dom, dann legt er los. Erzählt von Kindheitstagen an der Elbe und von seinem Vater Gerhard West, Lehrer und Künstler in Personalunion. Ebenfalls ein Original mit Bodenhaftung. Erzählt man heute noch in Wedel. "Ich wollte nie Lokomotivführer, König oder Astronaut werden", sagt Ole West. "Ich wollte immer nur machen, machen und machen - und selbstständig sein."

Mit störrischem Willen, anpackender Zuversicht und viel Talent setzte er seinen Lebenstraum in die Tat um. Mit Umwegen über Abitur und Fachhochschule an der Armgartstraße in Hamburg. Da auch ein angehender Künstler Brot braucht, nahm der junge Ole alle möglichen Nebenjobs an: Als Student kellnerte er in Pinten, anschließend schuf er Kulissen für den NDR, das Studio Hamburg, das Ernst-Deutsch-Theater und zeichnete Speisekarten sowie Preisschilder. Zwischendurch wurde mit Elke klarschiff gemacht. Ehefrau Elke West leitet heute den familieneigenen Tidenhub-Verlag. Gut 20 Werke veröffentlichte das West-Team dort bisher, darunter sechs Kochbücher mit illustrierten Rezepten aus der Heimat.

Apropos Norddeutschland. 1984 wagten die Wests den Sprung über Ostfriesland in die Nordsee - mit 5000 D-Mark Startkapital auf dem Sparkonto. Beide warfen auf Norderney Anker. Eine Anzeige in der "Badezeitung" brachte erste Aufträge: Ole West bemalte die Mauern der Kurapotheke und die Hausfassade eines Fahrradladens, wurde bekannt und bekannter, gründete 1986 eine eigene Malschule. Und eines kreativen Tages beim Strandspaziergang folgte die Eingebung mit den Seekarten als Grundlage. Diese Idee wurde zum Markenzeichen.

"Nach einem traumhaften Vierteljahrhundert in den Dünen war es dann auch gut", murmelt Ole West. "Irgendwie wollten wir wieder heimwärts, zurück in die Stadt." Er steht auf, blickt einen Moment aus dem Fenster runter auf die Elbe, holt Kaffeenachschub. Dabei passiert er vier verschiedene Arbeitsplätze, je einen für Öl, Aquarell, Holzschnitt und Zeichnungen. Der Meister, von Natur aus ein Morgenmensch, pflegt an mehreren Objekten gleichzeitig zu arbeiten. "Manchmal platze ich fast vor Ideen", sagt er. Dann muss die Schaffenskraft raus. In mehr als 100 Kladden werden Inspirationen und Skizzen festgehalten. Im Endergebnis werden fremdartige Figuren, knallbunte Fantasieschiffe und weitere bizarre Kompositionen lebendig. So wie der just geborene Traumvogel Wattschnapp. Es gibt noch viel zu tun.

Ole West erzählt und erzählt - und es wird immer spannender. Unter dem Strich ergibt sich das Bild eines Individualisten, eines Originals mit Holsteiner Wurzeln, teilweise gewiss auch eines Einzelkämpfers und Eigenbrödlers. Der immer sauer wird, wenn ihn jemand vereinnahmen will. "Ich lass mich nicht gerne gängeln", sagt er. Basta! Vereine, Organisationen, Künstlerklubs? Ohne ihn.

Und was ist diese komische Bootskonstruktion da oben auf dem Balken? Jules Vernes Eroberungsschiff, selbst aus Pappe gebastelt. Und dieser merkwürdige Apparat an der Wand? Eine Art mobiles Theater mit sich wandelnden Collagen? Selbst gemacht. Und was haben Banjo und Mandoline hier zu suchen? Weil sich das Atelier einmal wöchentlich in ein Musikstudio verwandelt. Wenn Ole West und seine Kumpels groß aufspielen. "Mall harbours" heißt die Folkband.

Harbour heißt Hafen, das ist klar. Was aber, großer Meister, heißt Mall? "Büschen bekloppt - auf Plattdeutsch", entgegnet Ole West, lacht lauthals, schlägt sich auf das Bäuchlein und freut sich des Lebens.