Dieses Gebäude produziert mehr Strom und Wärme, als es verbraucht. Wie das geht? Ein fiktiver Tagesablauf zeigt es.

Hamburg. Es ist schon ärgerlich: Jede Kleinigkeit im heimischen Alltag verbraucht Energie - ob duschen, Haare föhnen, am Computer arbeiten, Wäsche waschen, Essen kochen - alles kostet Geld. Wie schön wäre es doch, statt zu zahlen, etwas zu verdienen, statt Energie zu verbrauchen, auch noch welche herzustellen ... Ein schöner Traum. Ein Traum? Nein, Realität. Zumindest im Plus-Energie-Haus, das zurzeit zwischen Hauptbahnhof und Kunsthalle am Glockengießerwall ausgestellt wird. Das Abendblatt hat einen ganz normalen Alltag in diesem besonderen Haus einmal durchgespielt.

Der Wecker klingelt, der Tag beginnt, ein Fenster wird geöffnet, Frischluft soll her. Nur ein Fenster? Nicht in diesem Haus. Die Fenster sind so angelegt, das durch ein Öffnen mehrerer Fenster im Norden und im Süden ein Querlüften möglich ist. In ganz kurzer Zeit kommt so eine große Menge Frischluft ins Haus. Die Lüftungsdauer und damit der Wärmeverlust verkürzen sich im Vergleich zu einem normalen Haus.

Es geht in die Dusche. Kaum fließt das warme Wasser, läuft normalerweise auch der Zähler für die nötige Heizenergie. Nicht so im Plus-Energie-Haus. Die Abwärme, die im Alltag entsteht - zum Beispiel beim Kochen, Föhnen oder Heizen - wird zur Brauchwassererwärmung mitgenutzt. Das Wasser im integrierten Warmwassertank wird außerdem durch die beiden Solarkollektoren auf dem Dach erwärmt. Sollte dieses einmal nicht ausreichen, kann elektrisch nachgeheizt werden.

Nach der Dusche Heizung an, um im Haus nicht zu frieren? Mitnichten. Herkömmliche Heizkörper sind in diesem Haus überflüssig. Die solare und interne Wärmegewinnung - durch die Körperwärme der Bewohner, die Beleuchtung, die Nutzung von Computern - reicht für einen Großteil des Jahres zur Beheizung der Räume. Sie wird über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung effizient genutzt, die die Wärme gleichmäßig im Haus verteilt. Nur an besonders kalten Tagen muss über ein kleines Heizregister elektrisch zugeheizt werden.

Danach geht's zur Arbeit. Für den Bewohner des Plus-Energie-Hauses kommt es jetzt auf die Jahreszeit an, ob er noch eine Runde ums Haus machen sollte. Denn der "Erfinder" des Hauses, Professor Manfred Hegger von der Technischen Universität Darmstadt, empfiehlt, die Holz-Lamellenwände mit Photovoltaik-Modulen je nach Jahreszeit zu öffnen oder zu schließen. Im Winter sollten sie offen bleiben, damit der direkte Sonneneinfall durch die Fenster ins Haus für mehr Wärme sorgt. Im Sommer spenden die geschlossenen Lamellenwände zum einen Schatten, zum anderen produzieren die Photovoltaik-Module bei hoher Sonneneinstrahlung noch mehr Energie.

Selbst wenn die Bewohner das Haus verlassen haben, arbeitet das Plus-Energie-Haus weiter für sie. Die "intelligente" Haustechnik regelt den Energie-Bedarf auf ein Minimum herunter - gleichzeitig produziert das Haus über die gebäudeintegrierte Photovoltaik Strom. Die überschüssige Energie wird in Deutschland zurzeit ins Netz eingespeist. Das Haus funktioniert also als Kraftwerk. In Zukunft könnte die nicht benötigte Energie zum Beispiel auch die Batterien eines Elektroautos aufladen.

Nach der Arbeit geht es zum Feierabend ab auf die Terrasse. Im Süden liegt zwischen Lamellenschicht und thermischer Hülle eine überdachte Veranda. Sie erweitert den Wohnraum über weit zu öffnende Schiebefenster, ist geschützter Außenraum und Übergang zwischen Haus und Garten.

Die Hausarbeit ruft: Natürlich kann der Bewohner auch in einem Solarhaus selbst bestimmen, wann er Wäsche waschen oder trocknen möchte - allerdings kann durch die Kombination mit einer Timer-Schaltung in Abwesenheit des Bewohners auch eine intelligente Steuerungstechnik - je nach Energieertrag des Hauses - entscheiden, wann die Wäsche gewaschen wird, um rechtzeitig fertig zu sein und gleichzeitig so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen.

Der Magen meldet sich, es geht ans Kochen des Abendessens. Und selbst dabei müssen die Bewohner - ob der dabei verbrauchten Energie - in diesem Haus kein schlechtes Gewissen zu haben. In einer Küchenzeile sind alle notwendigen und besonders energieeffizienten Haushaltsgeräte integriert. Die Wärme, die beim Kochen durch Herd und Backofen entsteht, wird wieder dem Hauskreislauf zugeführt. Durch die Nord-Südausrichtung des Hauses wird Tageslicht optimal genutzt, zusätzlich sorgt eine effiziente Beleuchtung für einen minimalen Stromverbrauch.

Alles nur ein Traum? Nein, schon heute im Prototyp Realität und ab 2015 marktreif.