Ein Leben ohne Papiere, ohne Sicherheit, in ständiger Angst: Für mehrere Tausend Menschen in Hamburg ist dies Realität.

Hamburg. Sie leben als Illegale in der Stadt, trauen sich vielfach nicht, Ärzte aufzusuchen, ihre Kinder in Schulen anzumelden, in Krankenhäusern zu entbinden. Zwischen 6000 und 22.000 Illegale gibt es in Hamburg. Ihre Lebensumstände sind nun in einer Studie, die die Diakonie in Auftrag gegeben hat, erstmals wissenschaftlich fundiert beleuchtet worden. Vor allem in der Kinderbetreuung und bei der Gesundheitsversorgung sehen die Autoren der Studie dringenden Handlungsbedarf.

Sie kommen aus Ghana und Ecuador, aus der Türkei, Russland, Serbien und Indien: Illegale sind in allen Lebens- und Arbeitsbereichen zu finden, obwohl sie weder Aufenthaltserlaubnis noch Duldung oder andere Papiere haben. Ihre Zahl, die anhand systematischer Schätzmethoden, die am WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) festgestellt wurde, ist kleiner als noch vor wenigen Jahren gedacht. Noch 2003 schätzte man die Zahl der "Papierlosen" in Hamburg auf 19.000 bis 65.000 Personen. Gesunken ist sie hauptsächlich durch den EU-Beitritt mehrerer osteuropäischer Länder. Der Aufenthalt der von dort stammenden Menschen wurde legalisiert. Die Einreise der weiterhin illegalen Migranten erfolgt, so die Studie, oft über den Seeweg nach Spanien oder über Land durch die Ukraine und Polen.

Viele Illegale sind legal eingereist, nach Ablauf des jeweiligen Visums einfach dageblieben. 60 Prozent der Menschen ohne Papiere sind im erwerbsfähigen Alter, acht Prozent sind Kinder. Ihre Situation ist - vor allem in den ersten Lebensjahren - ausgesprochen schwierig. Da Illegale keinen Kita-Gutschein bekommen, wird ihnen der Zutritt zur Frühförderung verwehrt. In der Schule bessert sich die Situation. Nach einer internen Anweisung von Schulsenatorin Christa Goetsch vom Juli 2009 sind Lehrer von der Übermittlungspflicht befreit. Sie müssen die Ausländerbehörde nicht einschalten, wenn sie Kenntnis vom illegalen Aufenthalt eines Kindes erlangen. Der Druck, den Illegale ertragen müssen, überträgt sich auf die Kinder: Oft sind sie in den Schulen verängstigt. Die Eltern arbeiten meist den ganzen Tag. Sie jobben illegal in der Gastronomie, als Putzhilfen oder als Arbeiter - oft sind sie Schikanen und Erpressungen ausgesetzt.

Große Probleme sehen die Autoren der Diakonie-Studie "Leben ohne Papiere" bei der Gesundheitsversorgung. Aus Angst vor Entdeckung gehen viele Illegale gar nicht zum Arzt. Kinder werden zu Hause geboren, Verletzungen, Infektionen, ansteckende Krankheiten nicht behandelt - auch weil viele der Papierlosen nicht wissen, dass es in Hamburg ein Netzwerk von Ärzten gibt, die sie kostenlos behandeln. Steffen Becker, Sprecher des Diakonischen Werks Hamburg: "Es ist schwierig, in diesem Bereich etwas zu verändern. Aber es ist sehr, sehr wichtig."