Die 87-jährige Miriam Gillis-Carlebach besucht ihren ehemaligen Kindergarten an der Wohlers Allee 58 in Altona.

Hamburg. Es waren unbeschwerte Tage in der weißen Stadtvilla an der Wohlers Allee 58 in Altona. Und wohl deshalb kommt Miriam Gillis-Carlebach mit ihren 87 Jahren so gern hierher. "Wir trugen blaue Faltenröcke, einen dunklen Pullover und dazu eine blaue oder schwarze Schürze", sagt Frau Gillis-Carlebach aus Ramat Gan in Isreal. In der Villa, in der der Verein SterniPark auch heute wieder einen Kindergarten betreibt, ging auch die kleine Miriam Carlebach, drittälteste Tochter des Oberrabbiners Joseph Carlebach, in den Kindergarten des damaligen jüdischen Volksheims.

"Von außen hat sich das Haus kaum verändert", sagt Frau Gillis-Carlebach. Bis 1936 war hier ein jüdisches Volksheim. Später wurde es von den Nazis geschlossen und in Wohnungen umgewandelt. Die Gebrüder Wolf ("An de Eck steiht 'n Jung mit 'n Tüdelband") lebten hier.

"Ich kann mich noch an das tägliche Morgengebet erinnern", sagt die elegante Dame mit dem weißen Halstuch und den rosa lackierten Fingernägeln. Dass sie nach ihrer Flucht nach Palästina am 8. November 1938 als 16-Jährige vor den Nazis 45 Jahre lang kein Deutsch gesprochen hat, ist ihr überhaupt nicht anzumerken. Es hat der Mutter von vier Kindern, 14 Enkelkindern und etwa 30 Urenkeln ("nach einer jüdischen Überlieferung soll man nicht genau zählen"), sehr große Überwindung gekostet, wieder nach Deutschland zu kommen. Seit 1993 fliegt sie aber regelmäßig nach Hamburg. Anstoß war in dem Jahr eine Feier zum 100. Geburtstag ihres Vaters. "Ich war zwar nicht eingeladen, wollte aber über meine Mutter Lotte reden." Immerhin hat Charlotte Carlebach ihrem berühmten Mann den Rücken freigehalten und neun Kinder großgezogen. In Hamburg zeigt Miriam Gillis-Carlebach ihren Enkeln Reuven (35), Liron (33) und Shai (28) ihren ehemaligen Kindergarten - auch um den Kindern dort davon zu erzählen, wie jüdische Kinder deportiert worden sind. Sie macht das einfühlsam. Leila Moysich von SterniPark: "Sie berichtet ohne Zeigefinger, aber mit der Autorität derjenigen, die an was zu erinnern haben, aus dem zu lernen ist."