Anna ist zwölf und lebt mit ihren zwei kleineren Brüdern bei ihrer Mutter. Ihren Vater sieht sie jedes zweite Wochenende. Er ist vor drei Jahren ausgezogen, hat wieder geheiratet und eine neue Familie gegründet.

Annas Mutter hat auch wieder einen Freund. Auch der hat schon zwei Kinder. Nun erwartet sie mit ihm ihr viertes Kind. Dann hat Anna "richtige" Brüder und "Halbgeschwister", Mutter mit Freund sowie Vater mit neuer Frau. Das bringt Annas Gefühle manchmal ganz schön durcheinander, und es nervt sie, zwischen zwei Haushalten hin- und herzupendeln. Natürlich bemüht sie sich um eine gute Beziehung zu den neuen Partnern ihrer Eltern, aber leicht fällt ihr das nicht. Im Tiefsten ihres Herzens wünscht sie sich, ihre Eltern wären noch zusammen. So wie früher.

In Trauungen und Taufen begegne ich oft Menschen aus komplexen Familienverhältnissen, so genannten "Patchwork-Familien": alleinerziehenden Müttern und Vätern, geschiedenen und wieder verheirateten Paaren mit Kindern aus erster und zweiter Ehe. Ich erlebe Menschen, deren Wünsche und Pläne von einer lebenslangen Liebe geplatzt sind, die Krisen und Trennungen durchlitten haben und nach schweren und einsamen Jahren eine neue Beziehung wagen. Sie kommen in die Kirche und bitten Gott um seinen Segen, für ihre neue Liebe oder ihr Neugeborenes.

Ich bin froh, dass ich sie dabei begleiten kann und meine Kirche Rituale bereithält, mit denen die Menschen ihre Hoffnungen und Bitten für den neuen Lebensweg ausdrücken können. Die Bibel gibt uns eine Orientierung zum Leben: Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen, damit sie zusammen leben und gemeinsam Gott und den Menschen dienen. Dies gilt natürlich genauso in einer Gesellschaft, in der verschiedene Formen von Partnerschaft und Familie gelebt werden. Entscheidend ist unsere Liebe und der Wille zur Treue. Vor allem gegenüber unseren Kindern ist das wesentlich. Wer sich mit dieser Haltung unter den Segen Gottes stellt, weiß, dass das Gelingen keine Selbstverständlichkeit ist. Sich Gottes Hilfe zu vergewissern, kann Liebenden Kraft und Kindern Rückhalt geben. Anna wird stets die geliebte Tochter ihrer Eltern und unseres Gottes bleiben, wo immer ihr Weg sie hinführt. Gut, wenn sie das spürt.

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