Die “Harbor Girls“ sind das erste Roller-Derby-Team in Hamburg - starke Frauen, aggressiv und weiblich. Ein neuer Sport auf dem Vormarsch.

Hamburg. Neonröhren werfen mattes Licht auf den kalten Asphalt im Parkhaus an den Messehallen. Lili Wolf steckt ihre schwarzen Haare mit den blonden Strähnen unter dem Helm zurecht, schnürt ihre Rollschuhe fest zu und streift ihr T-Shirt über. Rückennummer 1313. Für die nächsten zwei Stunden ist Lili Wolf jetzt "Spooky Spiky". Sie wird rempeln und blocken, sie wird spurten, schubsen und schwitzen.

Lili Wolf ist Trainerin der "Hamburg Harbor Girls", des ersten Roller-Derby-Vereins der Stadt. Roller-Derby ist ein bisschen wie Rugby auf Rädern. Zwei Teams mit je fünf Spielerinnen rollern auf einer Bahn im Kreis. Es gibt einen "Jammer". Und wenn der es schafft, die Gegner zu überrunden, gibt es einen Punkt pro Gegner. Vier "Blocker" verhindern das - mit vollem Körpereinsatz. Kratzen, Beißen oder Beinstellen ist verboten.

"Wir sind weiblich und aggressiv", sagt Wolf. Die 29 Jahre alte Grafikdesignerin hat in ihrer Freizeit das Logo für die Harbor Girls entworfen: Ein Mädchen im Minirock mit Rollschuhen, ein Anker hängt hinter ihm wie ein Christuskreuz, das schwarze Haar weht im Wind. Roller-Girls haben Stil statt Uniform. Ihre Tattoos verstecken sie unter kurzen Röcken, roten Netzstrümpfen und Protektoren für Ellenbogen und Knie.

Der Sport kommt aus den USA, wo es mittlerweile mehr als 100 Vereine quer durchs Land gibt wie die "Mad Rollin' Dolls" aus Wisconsin und die "Slaughterhouse Derby Girls" aus Colorado. Was schon in den 1920er-Jahren begann, wurde zum Kult. Zu den Spielen kommen nicht selten 4000 Zuschauer in die Arenen.

In Deutschland ist Roller-Derby nicht nur Sport, sondern auch Szene. Underground. Es gibt keine Bücher mit Taktiken, keine Lehrgänge für Trainer, keine Akademien für den Nachwuchs. Übungen guckt sich "Spooky Spiky" in Videos der amerikanischen Teams auf YouTube ab. Oder sie fährt zu ihren alten Kolleginnen nach Stuttgart, zu den "Valley Rollergirlz", der stärkste von den wenigen Klubs in Deutschland. Dort kam "Spooky Spiky" zum Roller-Derby, bevor sie nach Hamburg gezogen ist.

Aber eigentlich war es der Rock 'n' Roll, der aus Lili Wolf "Spooky Spiky" machte. Roller-Derby hat seine Wurzeln in verrauchten Rockschuppen. In den Querstraßen, abseits der Sportsbars mit ihren Flachbildschirmen und Billardtischen.

Dort kommt der Sport her, doch dort soll er nicht bleiben. Lili Wolf will Roller-Derby öffnen - für alle, die über 18 sind und keine Angst haben vor blauen Flecken. Wie zum Beispiel die 29 Jahre alte "Crash Pebbles", die in ihrem Leben abseits der Rollerbahn Daniela Wolsky heißt und bei einem großen Autohaus Großkunden betreut. Sie ist eins von mehreren neuen Roller Girls, mit denen "Spooky Spiky" jetzt ein wettkampffähiges Team aufbaut.

Nach dem Warmlaufen dirigiert sie ihre Teamkolleginnen zur ersten Übung: Bremsen mit der Pflug-Technik, dann der Hip-Check und der Block mit der Schulter. "Spooky Spiky" beobachtet ihre Spielerinnen. "Geht mehr auf Speed", ruft sie. "Und in den Kurven mehr in die Knie." Sie motiviert, wenn eine Spielerin hinfällt, sie stachelt an, wenn der Schulterblock der Neuen eher an einen kumpelhaften Stupser erinnert, und sie spornt an vor der letzten Kraftübung.

Underground ist auch anstrengend. Das weiß Lili Wolf, seitdem sie für die Harbor Girls eine Halle für den Winter sucht. Sportverbände setzen sie auf lange Wartelisten, manche Bezirksämter sorgen sich um ihre Hartgummiböden und befürchten Dellen durch die Rollschuhe. "Dabei fahren wir mit speziellen Rollen für die Halle", sagt Wolf. Bis vor wenigen Wochen haben sie sich noch auf der Rollschuhbahn in Planten un Blomen getroffen - jetzt müssen sie ausweichen: in leere Fabrikgebäude oder in Parkhäuser wie an diesem Sonntag. Im vergangenen Winter haben sie auch einige Male im alten Frappant-Haus in Altona trainiert. "Das Fahrgefühl auf Asphalt ist aber ein ganz anderes als in der Sporthalle", sagt Wolf. Sie wird dann sehr ernst, spricht im professionellen Sportdirektor-Deutsch. "Wenn wir keine Halle haben, macht uns das den Sport kaputt." Aggressiv wird sie dabei nicht. Das war sie eben. Auf den Rollschuhen.