Herta Müller hat den Nobelpreis bekommen. Barack Obama auch. 20 Jahre nach dem Mauerfall und dem Ende des kalten Krieges zwischen Ost und West.

Beide Entscheidungen sind umstritten, wie das bei den Nobelpreisen für Frieden und Literatur so üblich ist.

Herta Müller sei eine literarische Außenseiterin, und eigentlich wären andere Schriftsteller dran gewesen. Bob Dylan zum Beispiel. Und für Barack Obama käme diese Auszeichnung viel zu früh, seine Visionen hätten sich weder in der mühevollen Ebene des politischen Alltags bewährt, noch den Status der Rhetorik verlassen.

Bemerkenswert an diesen Entscheidungen ist aber auch eher die verdeckte Botschaft. Da wurden zwei Menschen ausgezeichnet, die Grenzen abzubauen versuchen und für den Frieden eintreten. Die eine, indem sie Erinnerungen wach hält an die Schrecken der Diktatur in Ländern, die sich dereinst sowohl dem Christentum als auch der Aufklärung verpflichtet fühlten. Der andere, weil er als Vertreter einer Weltmacht das aktuelle Freund-Feind-Schema überwinden will und einer neuen Blockbildung in der Weltgesellschaft keine Chance geben möchte.

Ich kann in diesen Entscheidungen den Geist des Evangeliums erkennen. Denn auch Jesus hat jeder Form von Ausgrenzung widersprochen und somit das Freund-Feind-Denken überwunden. Deswegen hatte er seinen Zeitgenossen ausgerechnet den verhassten Samariter als Inbegriff von Nächstenliebe und Fürsorge vorgeführt. Und die römischen Zöllner, also Beamte einer Gewaltherrschaft, sind bei Jesus fast immer Paradebeispiele für Menschen, die ihr Leben neu ordnen, weil sie sich ihrer Verfehlungen bewusst werden. Diese Geschichten des Neuen Testaments lassen sich auch so lesen: Eine Diktatur ist nicht alternativlos.

Jesus hat keine Weltrevolution hervorgebracht, geschweige denn das Römische Reich gestürzt. Aber er hat Wege aufgezeigt, an denen wir uns orientieren können bei unserer Suche nach einer gerechten und friedlichen Welt.

Und so ähnlich verhält es sich auch mit diesen beiden Preisträgern: Weder Herta Müller noch Barack Obama allein werden die Welt gerechter und friedvoller gestalten. Aber beide zeigen sie Wege dahin auf. Und das wird jetzt gewürdigt - unmittelbar vor dem 9. November - 20 Jahre, nachdem die Mauer gefallen ist.

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