Hamburg will ab 2010 berittene Sicherheitskräfte einsetzen. Polizisten aus Niedersachsen sind am Wochenende hier im Einsatz.

Hamburg. Als die Massen aus dem Stadiontor strömen, erschöpft vom Mitfiebern und von Schlachtrufen, da erfahren die gutmütigen Polizeipferde zum ersten Mal echte Aufmerksamkeit - weit entfernt von der Drohgebärde, die sie seit Stunden aufrecht halten. Nüstern werden getätschelt, Finger gleiten durch die strohige Mähne der Tiere, bierverklebte Hände streicheln die muskulösen Hälse. Zehn Stunden sind Ross und Reiter bereits auf den eisenbeschlagenen Hufen. Doch die Tätschelwelle lassen sie regungslos über sich ergehen.

"Die Gruppen gelten als verfeindet", heißt es aus der Leitzentrale der Polizei Hannover kurz vor dem brisanten Sonnabendspiel der Bundesliga - gewaltbereite 96er-Fans könnten auf Hooligans aus dem Ruhrgebiet treffen. Doch in der niedersächsischen Landeshauptstadt macht sich so schnell keiner Sorgen. Hier verlässt man sich auf die Pferde, denen die Stadt an der Leine ihren Namen gab und sie neben Expo und der Messe weltweit bekannt machten. Die Hannoveraner sind erprobt. An ihrer Seite stehen - Halfter an Halfter - Sachsen, Württemberger und Oldenburger. Hannover pflegt eine Tradition, die in Hamburg vor 34 Jahren vorerst ein Ende nahm: Polizeipferde gehören zum Straßenbild. Und auch wenn der Rechnungshof immer mal wieder die Kosten der Reiterstaffel kritisiert, ihre Strahlkraft reicht bis an den Persischen Golf.

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Ein Emir hat die Hannoveraner schon Spalier stehen lassen, will sie mit edlen Araberpferden kreuzen, zum idealen Polizeipferd für den Nahen Osten. Mittlerweile hat auch die Hamburger Polizei ihre Scouts ins Nachbarland geschickt - auf der Suche nach Pferden. Während andere Bundesländer abbauen, will der Stadtstaat eine zehnköpfige Pferdestaffel aufbauen, gab Polizeipräsident Werner Jantosch vor wenigen Wochen bekannt. "Bei mir hat sich zwar noch keiner gemeldet, ich stehe aber gern mit Rat bei", sagt Sören Müller, Chef der Reiterstaffel in Hannover - ein gut gelaunter Riese samt Schnurrbart. Sein Lachen hallt durch die denkmalgeschützte Stallanlage, in der 35 Polizeipferde logieren. Eine Oase der Ruhe aus roten Backsteinen inmitten der 500 000-Einwohner-Metropole. Nur fünf Reitminuten vom Hauptbahnhof entfernt ist die tierische Sondereinheit schnell am Tatort. "Es bringt nichts, wenn man die Tiere verladen und noch kilometerweit fahren muss", sagt Müller.

Mit leisem Schaben bürstet Jennifer Eisenbeiß derweil den Hannoveraner "Banause". Sie ölt das Horn der Hufe, schraubt Stollen in die Eisen, damit der Siebenjährige auf dem blanken Asphalt nicht ausrutscht, während der Wallach angeregt an einem Eisenring knabbert, der in die alten Mauern eingelassen ist. "Er ist ein richtiger Banause, sehr neugierig", sagt die 29-Jährige, die hier zum Traumberuf gefunden hat. Sie ist der Youngster, nach vier Jahren bei der Bereitschaftspolizei aber schlachtenerprobt - erst zu Fuß, jetzt hoch zu Ross. "Wir sind ein eingespieltes Team, mit der Zeit langsam zusammengewachsen", sagt Chef Müller. "Die Hamburger Kollegen müssen einen langen Atem haben, bis die Pferde so aufeinander abgestimmt sind, dass man sie problemlos in Gefahrensituationen führen kann."

Fast eineinhalb Stunden Körperpflege stehen vor jedem Einsatz auf dem Programm - die Pferde sollen schließlich auch äußerlich was hermachen. Dann kleiden sich die Polizeireiter ein, satteln auf und traben los. Wenige Minuten später stehen sie an den Straßenbahnschienen, die sich im Halbkreis um den Bahnhof ziehen. Während sich Kleinfamilien mit Kinderwagen und Kameras um die Einheit postieren, lassen die dösenden Tiere ein paar Pferdeäpfel fallen. Darum muss sich später die Stadtreinigung kümmern.

Plötzlich geht alles ganz schnell: Immer mehr Schlachtenbummler versammeln sich auf dem Vorplatz. Dann gerät die wabernde Masse in Bewegung. Doch noch bevor sie losstürmt, setzen sich vier Reiter gekonnt vor sie und ziehen sie wie einen Magneten brav hinter sich her. 800 Problemfans bilden einen lärmenden Lindwurm, der angesichts der flankierenden Reiter auf dem Weg zum Stadion keinen Ausbruch wagt. Die Stadiontore der heimischen Fans weiträumig umschiffend, werden sie vor dem Eingang des Gästeblocks abgesetzt. Dann wird es ruhig. Der erste Teil ist geschafft.

Zwei Halbzeiten später sind sie erneut gefordert. Sie werden die Fans in die Zange nehmen und zurück zum Bahnhof begleiten. Und die eine oder andere bierverklebte Hand wird ihnen eine Streicheleinheit nach dem anstrengenden Einsatz geben.