Anna Ö. verlor vor Gericht gegen ihren Arbeitgeber, weil der Jurist einen Fehler machte. Deshalb verklagte sie ihn.

Hamburg. Sie fühlte sich ausgebeutet und behandelt wie der "letzte Dreck". Von Mai bis Oktober 2006 arbeitete Anna Ö. (68, Name geändert) als Zimmermädchen für eine Reinigungsfirma in einem Fünf-Sterne-Hotel. Die diplomierte Pädagogin hatte den Job angenommen, nachdem sie durch Spekulationsgeschäfte 80 000 Euro Schulden angehäuft hatte - die Rente reichte hinten und vorne nicht. Knapp sieben Euro sollte sie pro Stunde bekommen. Der Haken: Die Zahlung richtete sich, wie so oft in der Branche, nach der Zahl der gereinigten Zimmer. Und für ein Zimmer gab es 3,50 Euro - unabhängig davon, ob es sich um große Suiten handelte, wie lange die Reinigung dauerte, wie verschmutzt die Räume waren. "Du schuftest 200 Stunden im Monat, wirst schikaniert und bekommst etwas mehr als nichts", sagt sie. "Doch ich habe mich gewehrt." Sie schreibt gerade ein Buch über Lohndumping.

Anna Ö. zerrte ihren Ex-Arbeitgeber vor Gericht, forderte eine Lohn-Nachzahlung und Schadenersatz wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. Doch sie verlor den Rechtsstreit - weil ihr Anwalt damals Fristen versäumt hatte, in denen sie die Ansprüche hätte geltend machen müssen. Ein kapitaler, aber menschlicher Fehler.

Anna Ö. wollte dann ihren Ex-Anwalt in Regress nehmen. Zwei Jahre dümpelte das Verfahren vor sich hin, eine Einigung schien unmöglich. "Ich war mit den Nerven am Ende", sagt sie. Gestern die Güteverhandlung am Landgericht. Ob alle Ansprüche hätten durchgesetzt werden können, wenn die Fristen eingehalten worden wären, ist für den Richter "sehr fraglich". In Sachen Nachvergütung für den Lohn räumt er ihr aber Chancen ein.

"Sie haben einen Fehler gemacht, dafür sollten Sie geradestehen", sagt ihre Anwältin zu dem Beklagten. Er ist der gleiche Anwalt, der in einem Verfahren gegen eine andere Reinigungsfirma 1200 Euro für Anna Ö. herausgeholt hatte. Bei fünf Firmen heuerte die Rentnerin seit 2006 an, alle hätten Dumping-Löhne gezahlt, sagt Ö. Vier verklagte sie - meist mit Erfolg.

So auch gestern. Auf das geduldige Insistieren des Richters hin lässt sich der Anwalt zu einem Vergleich bewegen. 2750 Euro soll er Anna Ö. zahlen. Sie ist mit dem Ergebnis leidlich zufrieden. "Ich wollte einen Schlussstrich ziehen." Das muss sie auch: Die Rechtsschutzversicherung hat der Vielklägerin gekündigt.