Getan habe ich es an einem warmen Oktober-Tag 1993 auf einem schmuddeligen Parkplatz im Münchener Osten. Zehn 500-Mark-Scheine knisterten angenehm in meiner Hosentasche, als ich meinem beigen Opel Vectra ein letztes Mal nachschaute.

Soeben hatte ich ihn verkauft. Wehmut? Nicht die Bohne. Im Gegenteil: Erleichterung. Denn endlich war ich sie losgeworden, die Geldvernichtungsmaschine meines Lebens.

Die Reaktionen im Kollegenkreis waren gemischt. Sie reichten von Erstaunen ("mutig, mutig") über Mitleid ("Wenn du Geld-Sorgen hast, lass uns reden") bis zum gemurmelten "derwenighatsienichtmehralle" meines Chefs.

16 Jahre bin ich nun autofrei. 16 Jahre ohne Inspektionen, Reifenwechsel, Knöllchen. 16 Jahre ohne Parkplatz-Suche, Alkohol-Tests, Kratzer-Ärger. 16 gute Jahre.

Zugegeben, in der ersten Zeit war ich ein Exot. Freiwilliger Verzicht aufs Auto? Genauso gut hätte ich erklären können, ich sei soeben zum Islam konvertiert. Doch inzwischen wächst unser Lager. Die Erkenntnis, dass ein wunderbarer Merlot eine entschieden bessere Geldanlage als stinkendes Benzin ist, setzt sich eben durch - zumindest in der Stadt.

Wie habe ich es schon als Student gehasst, wenn ich mein in Ferienjobs sauer verdientes Geld in die ölverschmierten Hände eines Hinterhofschraubers drücken musste. Wenn Kfz-Steuer oder Versicherungs-Beiträge mein Konto filetierten. Daran denke ich oft, wenn sich wieder mal ein besonders cleverer Auto-Besitzer selbst betrügt, indem er nur auf die Sprit-Kosten schaut.

Dabei bin ich mitnichten ein Auto-Hasser. Wenn es in Strömen gießt, chauffiere ich meine Kleinen mit dem Taxi zum Kindergarten, der mit dem Bus schlecht erreichbar ist. Warum sollen sie pitschnass ankommen, nur weil Papa kein Auto hat. Dass manche das für dekadent halten, ist mir herzlich egal. Getränke lassen wir uns bringen, der freundliche Fahrer schleppt die Kisten sogar in den Keller. Teuer? Im Vergleich zum eigenen Auto nicht der Rede wert.

Lange Strecken fahre ich ohnehin mit der Bahn. Da kann ich arbeiten, lesen, dösen. Ich werde nie verstehen, warum sich Menschen stattdessen umgeben von dünnem Blech in den wahnwitzigen Autobahn-Kampf wagen. So lange unsere Politiker nicht endlich das überfällige Tempo-Limit gegen die ADAC-Lobby durchsetzen, werde ich mein Leben nur im Notfall gegen Testosteron-gesteuerte Bonsai-Schumis riskieren.

Ob ich noch mal rückfällig werde? Unwahrscheinlich. Dafür waren die 16 Jahre viel zu gut. Und ganz ehrlich: Ich vermisse ja auch nichts.