In Hamburg ist der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch. Nach Angaben des Statistischen Landesamts leben 245 524 Ausländer in der Stadt. Das sind 14,1 Prozent der Hamburger.

In Stadtteilen wie Billbrook und auf der Veddel stellen sie mehr als die Hälfte der Bevölkerung, aber auch in Hamm, Jenfeld oder Steilshoop ist jeder Fünfte Ausländer. Mit insgesamt 22,5 Prozent sind die 55 211 Menschen mit einem türkischen Pass die größte Gruppe.

Tatsächlich ist die Zahl der türkischstämmigen Hamburger aber viel größer. Denn die Statistik zählt die eingebürgerten Türken zu den Deutschen. "Das ist ein Problem, weil es die Daten verfälscht", sagt Professor Klaus J. Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in Berlin. Denn gerade die Ausländer, die gut integriert und ausgebildet sind, beantragen den deutschen Pass.

Für die Überprüfung der lautstarken Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin über die Integrationswilligkeit der Türken in Deutschland muss man deshalb immer den Unterschied zwischen Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund im Kopf haben.

So hatte der frühere Berliner SPD-Finanzsenator unter anderem behauptet, dass die Türken Deutschland über die höhere Geburtenquote eroberten. Laut Statistik sind in Hamburg aber von insgesamt 15 743 Babys, die 2007 geboren wurden, nur 121 als türkische Staatsangehörige ausgewiesen. Tatsächlich werden aber in türkischstämmigen Familien deutlich mehr Kinder geboren, wie Hochrechnungen aus dem Mikrozensus belegen. Danach ist der Altersdurchschnitt von Migranten mit derzeit 33,5 Jahren um zwölf Jahre unter dem der Deutschen.

Die Frage, wie gut Türken in Hamburg integriert sind, lässt sich laut Migrationsforscher Bade unter anderem in den Kategorien Bildung, Ausbildung und Erwerbstätigkeit beantworten. "Hamburg macht seit vielen Jahren eine gute Integrationspolitik", so der Experte. So setzt die Schulbehörde vor allem auf die verpflichtende Sprachförderung. Trotzdem: Jeder fünfte Schüler ohne deutsche Staatsangehörigkeit verließ 2008 die Schule ohne Abschluss. Bezogen auf alle Schulentlassenen waren es 8,2 Prozent.

Unter den derzeit 80 670 Arbeitslosen in Hamburg ist etwa jeder vierte Ausländer, darunter 5354 Türken. Hier spiegelt sich das Manko der fehlenden Ausbildung besonders drastisch - etwa 90 Prozent der arbeitslosen Türken haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Jeder dritte Hartz-IV-Empfänger ist Ausländer. Deutlich ist auch die Sprache der Kriminalitätsstatistik 2008, die von 70 133 Tatverdächtigen 19 412 als Nichtdeutsche ausweist - deutlich mehr, als es dem Bevölkerungsanteil von 14,1 Prozent entspricht.

Aus Sicht der Migrationsforschung greift der statistische Blick jedoch zu kurz, um Integration zu bewerten. "Wir leben in einer Einwanderungsgesellschaft mit hoher Diversität", sagt Wissenschaftler Bade. "Es geht nicht mehr darum, dass einzelne große Gruppen, wie die Türken, integriert werden. Die Gesellschaft wandelt sich ständig, das meint Diversität." Die meisten Deutschen - immerhin gaben 51 Prozent der Bevölkerung Sarrazin recht - machten vor dieser Veränderung die Augen zu. Bade: "Aber die Vielgestaltigkeit der Gesellschaft wächst."

Deutlich wird das im Bereich der Wirtschaft. Sarrazin hatte angeprangert, dass viele Migranten keine produktive Rolle in der Gemeinschaft übernehmen wollten. Nach einer bislang unveröffentlichten Studie des HWWI hat jeder fünfte Unternehmer in Hamburg Migrationshintergrund.