Hier braust der Verkehr zum nahen Flughafen, trotzdem sitzen viele gern an der Straße zum Kaffeetrinken. Die Geschäfte und Cafés bringen Flair.

Hamburg. Trotz aller Wandlungen ist der Erdkampsweg in Fuhlsbüttel geblieben, was er schon immer war: eine Einkaufsstraße mit familiärem Flair. Zugegeben - wegen des Verkehrs und des nahen Flughafens ist es hier ziemlich laut. Außerdem wurden in der Vergangenheit viele Jugendstil- und Backsteinhäuser abgerissen und meist durch wenig charmante Neubauten ersetzt. Eine Besonderheit der Straße liegt in den Geschäften, die schon seit Jahrzehnten existieren, und in den von der Abrissbirne verschonten Hinterhöfen, in denen Handwerker ihrem Gewerbe nachgehen. Durch eine gute Handvoll einladender Läden, die sich erst in letzter Zeit angesiedelt haben, ist der einst betuliche Erdkampsweg auch für jüngere Fuhlsbüttler interessant geworden - am Wochenende eröffnete gerade das erste italienische Restaurant. "Früher sind wir nach Eppendorf gefahren, heute haben wir die Läden vor der Haustür", sagt Thorsten Jürs.

Der 43-Jährige führt in dritter Generation das Blumengeschäft Allmann am Erdkampsweg. Im Schaufenster leuchten gelbe Sonnenblumen und Astern, dazwischen stehen Windlichter, Vogelhäuschen und Buddhas, denn Jürs verkauft auch Accessoires. Aufgewachsen ist er im Haus schräg gegenüber, das glücklicherweise nicht abgerissen, sondern gerade saniert wird. 1982 übernahm Jürs das Blumengeschäft von seiner Mutter und zog in die Wohnung direkt darüber. Jetzt wohnt er hier mit seiner Frau Martina und Tochter Carolin (13). Im Hinterhof ist seit 1918 die von seinem Urgroßonkel gegründete Heizungsfirma Allmann etabliert, ein paar Höfe weiter sind eine Autowerkstatt und ein Schuster zu finden.

"Mit dem Bau der Supermärkte sind viele Kleinbetriebe aus den Hinterhöfen verschwunden", sagt Jürs beim Spaziergang durch den Erdkampsweg. Doch es gibt noch viele alteingesessene Einzelhändler. Der Weg führt vorbei am Schuhgeschäft Scholz, das gerade sein 75-jähriges Bestehen feiert, dem Fahrradhaus Meincke, das schon 30 Jahre existiert, und dem "Stöberladen" von Margrit Koss, dessen Sammelsurium aus Kunst und Nippes, Geschirr, Gläsern und allerlei Skurrilem seit 20 Jahren zum Kramen einlädt. Eines der ältesten Geschäfte ist die 1927 von Carl Rubow gegründete Bücherstube Fuhlsbüttel. "Es begann mit einem Bücherverleih für Nachbarn, den mein Vater in seinem Wohnzimmer betrieben hat", sagt Dörte Hell-Rubow und holt das 80 Jahre alte Schild hervor, das damals im Fenster hing. Als die "Stube" wegen des großen Zulaufs zu eng wurde, zog Carl Rubow an den heutigen Standort. Heute wird die Bücherstube Fuhlsbüttel von seiner Tochter und deren Sohn Thorsten Lange geführt.

Vor der Buchhandlung bleibt Blumenhändler Thorsten Jürs stehen. Er deutet auf ein Café, das auf der anderen Straßenseite liegt. "Café Luise, kleine Bäckerei" ist auf einem Schild in liebevoll geschwungener Schrift zu lesen. "Das ist ein gutes Beispiel für den Wandel am Erdkampsweg", sagt er. "Aus einer spießigen Konditorei wurde ein nettes Café." Es wurde vor einem knappen Jahr von Heiko Fehrs eröffnet, einem Urenkel des Dichters Johann Hinrich Fehrs (1838-1916), nach dem weiter oben eine Seitenstraße des Erdkampswegs benannt wurde. Heiko Fehrs hatte lange nach einem Platz gesucht, an dem er mit seiner Frau Caroline ein Café eröffnen konnte. "Ich fand diese Ecke hier sofort gut", sagt der Bäckermeister. Seine Geschäftsidee - alles, was er verkauft, ist selbst gemacht und "wie vor 50 Jahren ohne Zusatzstoffe" - kommt gut an im Stadtteil. Das Café im skandinavischen Stil ist stets gut besucht, Köstlichkeiten wie die Stachelbeer-Baiser-Torte sind schnell ausverkauft.

Aber nicht nur Läden wie das Café Luise, die Eisdeerns, oder das Spielzeug- und Kinderklamottengeschäft Froschkönig tragen dazu bei, dass der Erdkampsweg lebendiger wird. Auch beim Hanse-Bäcker sitzen die Fuhlsbüttler gern, am liebsten open air. "Früher war es fast unmöglich, irgendwo am Erdkampsweg draußen zu sitzen", sagt Thorsten Jürs. "Jetzt herrscht hier manchmal ein ähnliches Flair wie auf der Schanze oder im Karoviertel." Dass die Menschen vom Erdkampsweg zusammenhalten, zeigte sich am Beispiel des dortigen "Hinz und Kunzt"-Verkäufers. Als der seinen Stammplatz vor dem Hanse-Bäcker verlassen musste, protestierten die Fuhlsbüttler. Mit Erfolg. Nun wird er dort geduldet und bekommt oft sogar einen Kaffee. Doch nicht überall tobt das Leben am Erdkampsweg. Im unteren Teil stehen manche Läden leer - hier fehlt die Laufkundschaft. Im Haus Nummer 1 gab es früher ein Kino, später zog ein Supermarkt ein. Heute steht das Erdgeschoss leer. Wer durch die Scheiben späht, erkennt noch den Vorraum des ehemaligen Filmtheaters und den Vorführraum. Im oberen Teil ist der Erdkampsweg eine reine Wohnstraße, hier liegen auch das 1930 von Fritz Schumacher erbaute Gymnasium Alstertal und die 1893 entstandene Kirche St. Lukas. An einem mit Büschen und Bäumen bewachsenen Wall, der die Anwohner vor dem Lärm der Zeppelinstraße und des Flughafens schützen soll, endet der Erdkampsweg. "Früher führte die Straße weiter in Richtung Niendorf", sagt Thorsten Jürs. Als Kind hat er dort manchmal die Flugzeuge im Landeanflug bewundert.

Nächste Folge am 21. September: Wexstraße (Neustadt)