An dieses Erlebnis aus der Nacht der Kirchen denke ich immer noch: Wir waren als große Gruppe unterwegs in den dunklen Straßen Hamburgs, besuchten Speicherstadt und Hauptkirchen.

Wir wollten nachschauen, ob Frieden ist und beten für die Stadt und Segen spenden der Metropole, die im Begriff war, sich schlafen zu legen. So hatte ich's gesagt beim Losgehen. Wir machten uns auf den Weg mit unseren Laternen, großer Neugier und offenen Herzen. Als geistlicher Nachtwächter in Ornat und Halskrause ging ich vorweg.

Bewegend war es, die geheimnisvoll beleuchtete Speicherstadt zu sehen, an ihren dunklen Fenstern und Türen vorbeizugehen, in der Ruine der Nikolaikirche das Vaterunser zu beten und Passanten gute Worte mit auf den Weg zu geben. Aber besonders auf dem Kibbelsteg bei St. Katharinen liefen mir Schauer über den Rücken. Ich hatte angefangen "Der Mond ist aufgegangen" zu zitieren und immer mehr Begleiter stimmten ein. Und dann summte eine die Melodie. Da standen wir alle auf der Brücke über dem Dovenfleet unter Gottes Sternenhimmel und begannen das Lied zu singen, alle Verse aus dem Kopf. Ich spürte, wie gut es uns tat, dieses Lied zu kennen und uns fallen lassen zu können ins gesungene Gebet.

Wirklich wertvoll ist es, eine geistliche Grundausstattung zu haben, auf die wir zurückgreifen können in guten und schweren Momenten. Und dieses Gebetslied, das damit endet, dass wir auch den kranken Nachbarn nicht vergessen, gehört zweifellos dazu.

Es kam mir vor, als sei das Lied vom Mond, der nur halb zu sehen ist und doch rund und schön ist, bei uns aus einer großen Tiefe gekommen, zu der wir den Zugang verloren haben. Doch wir können ihn wieder bekommen. Dann, wenn es still und dunkel geworden ist in der Stadt und im eigenen Herzen auch. Das ist Zeit zum Beten. Und die kann fast überall beginnen, auch auf dem Kibbelsteg.

Zögerlich und seltsam verändert zogen wir weiter durch die nächtliche Stadt, und viele mochten erst gar nicht reden und genossen die stille Zeit. Mir wurde klar: Ich werde noch häufiger als geistlicher Nachtwächter durch unsere Stadt gehen und freue mich auf Begleiter.

lohse@jacobus.de

Bernd Lohse ist Pilgerpastor an der Hauptkirche St. Jacobi.