Stützt sein wirres Geständnis die Affekt-These? Suat G. will bei der Bluttat nicht ganz bei sich gewesen sein.

Die drei Schwestern sitzen am Tisch der Nebenklage, so wie beim Prozessauftakt vor einer Woche. Sie vermeiden jeden Blickkontakt mit dem Angeklagten. Als der Richter Suat G. fragt, wie er sich nach der Bluttat gefühlt habe, zischelt Dörte B. leise: "Wie ein Mörder?!" Als der 41-Jährige dann erzählt, wie er Nicole B. am 25. März im Parkhaus neben dem Wellnesscenter Aquafit tötete, stürmt eine der drei schluchzend aus dem Gerichtssaal. Für die Schwestern ist das Geständnis des mutmaßlichen Mörders, der sie mit 36 Messerstichen regelrecht hingerichtet haben soll, kaum zu ertragen.

Suat G., dieser muskulöse, stiernackige Mann mit der Halbglatze, wirkt verstört, aufgewühlt. Wie er mit brüchiger Stimme seine Untat gesteht, muss auch er mit den Tränen kämpfen. Immer wieder hält er inne. Selten blitzt sein aufbrausendes Naturell auf, etwa dann, wenn er auf Nachfragen des Staatsanwalts spitz, fast angriffslustig reagiert. Von seinem Geständnis hängt viel ab: Gelingt es ihm, das Gericht zu überzeugen, dass er seine Ex-Freundin im Affekt getötet hat? Oder setzt sich die Anklage durch? Sie wirft ihm vor, B. gestalkt und aus Wut, Rache und Eifersucht ermordet zu haben.

Er habe zwei Joints geraucht an jenem 25. März, sagt G. "High und frei" habe er sich gefühlt. Doch der Streit mit seiner Ex-Freundin habe ihn belastet. Wenige Tage zuvor, am 14. März, hatte er in einem Harburger Restaurant ihr Handy zertrümmert. "Aber ich habe sie nicht bedroht und war auch nicht eifersüchtig", beteuert er. Trotzdem erhielt er eine einstweilige Verfügung - er durfte sich ihr nicht mehr nähern. Nach fünf Bier in einem Imbiss habe er daran nicht mehr gedacht. Er habe Tabula rasa machen, sich entschuldigen wollen. "Ich komme damit nicht klar: mit Menschen, die ich mag, im Streit auseinanderzugehen."

Eine Stunde braucht der 41-Jährige von Harburg zum Aquafit in Othmarschen. Ein Klappmesser steckt in der Jackentasche - seitdem er mehrfach bedroht worden sei, habe er immer eins dabei. Gegen 17 Uhr habe er Nicole B. im Treppenhaus der Anlage gesehen. "Warte, warte" habe er ihr zugerufen, doch seine Ex-Freundin habe ihn sofort angeschrien: Er solle sich "verpissen". Trauer habe er ob der Zurückweisung verspürt. "Plötzlich war alles verschwommen", sagt G. unter Tränen, "ich habe so ein böses Gesicht gesehen, aber es war nicht ihres". Er habe dann "zwei bis drei Bewegungen" gemacht und gleich darauf gehört "Suat, was machst du da". "Erst da wurde mir klar, was für einen Scheiß ich gebaut habe", sagt er. Das erstaunt den Vorsitzenden Richter. "Zwei bis drei Bewegungen?" Immerhin soll G. 36-mal auf sie eingestochen haben, hält er ihm vor.

Die 41-Jährige verblutete auf dem Fahrersitz ihres Toyota Yaris. Minutenlang habe er seine Ex-Freundin angeschaut. "Ich war mir sicher, dass sie tot ist", sagt er. Er sei dann mit der S-Bahn nach Harburg gefahren, wo er neben der Post verweilt und das blutige Messer "ein, zwei Stunden" angestarrt habe. "Ich wollte mir das Messer ins Herz rammen", sagt er leise, "aber ich konnte es nicht."

So wie es Suat G. erzählt, war die alleinerziehende Mutter die Liebe seines Lebens. "Sie war so warmherzig, wir haben mit den Kindern im großen Bett oft gekuschelt. Wir waren eine echte Patchworkfamilie", sagt der 41-Jährige. Bei ihr habe er die Nähe gespürt, die er bei seiner unterkühlten Ex-Frau vermisst habe, mit der er 13 Jahre verheiratet war und einen Sohn (10) hat. Nicole und er hätten von einer Zukunft geträumt. Von Kindern, Hochzeit, einem Haus. Doch die Beziehung sei nach einem Jahr ins Schlingern geraten: immer wieder Abstürze im Cannabis-Rausch, Suffgelage, einmal habe er sie so heftig geohrfeigt, dass ihr Trommelfell riss. Er sei depressiv geworden, habe gekifft und getrunken. Unter den Exzessen hätten auch seine Arbeit und seine Beziehung zu seinem Sohn gelitten. Mehrfach hätten sie sich getrennt, "doch wir konnten nicht die Finger voneinander lassen". Die letzte Trennung sollte endgültig sein, erzählt Suat G. Seit Januar habe er eine neue Freundin, ihren Nachnamen kenne er nicht, sie arbeite in einer Kneipe ums Eck. Auch Nicole B. habe mit einem anderen Mann angebändelt. Eifersüchtig sei er nicht gewesen. Nicht er sei der Stalker - er sei es gewesen, der "keinen Bock" mehr auf seine Ex-Freundin gehabt habe. Der Prozess wird fortgesetzt.