Ein Iraner muss sich wegen versuchten Mordes und schweren Raubes vor Gericht verantworten. Für die Staatsanwaltschaft ist er schuldunfähig.

Hamburg. Die Raubserie versetzte Eimsbüttel im Frühjahr eine gute Woche in Angst und Schrecken. Scheinbar willkürlich und äußerst brutal überfiel ein Räuber sechs Supermärkte und ein Sonnenstudio, verletzte drei Menschen mit einem Messer, ein Opfer schwer. Fieberhaft jagte die Polizei den Mann, den sie als "hochgradig gefährlich" eingestuft hatte. Mobilisierte Hubschrauber, Zivilstreifen, Hundeführer. Am 6. April klickten die Handschellen: Vor einem Imbiss an der Kieler Straße ließ sich Sewan S. (25) widerstandslos festnehmen. Im Gerichtssaal sitzt jetzt ein eher kleiner, untersetzter Mann mit raspelkurzen Haaren. Seit gestern muss sich der gebürtige Iraner wegen versuchten Mordes und schweren Raubes vor dem Landgericht verantworten - für Taten, die er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat: Sewan S., der seit seinem elften Lebensjahr Cannabis raucht, ist psychisch krank, leidet unter Schizophrenie. Nach einem bewaffneten Tankstellenraub vor drei Jahren ließ ihn das Gericht ins Klinikum Nord (Ochsenzoll) einweisen.

Anfang 2009 wurde er in den offenen Vollzug verlegt. "Im Frühjahr ging es mir richtig schlecht", sagt der Angeklagte. Er nimmt immer noch Psychopharmaka, seine Stimme klingt matt. Angstattacken hätten ihn damals gequält. In der Nacht zum 26. März floh er aus der Klinik. Mit seiner Freundin, Patientin in Ochsenzoll, und 100 Euro in der Tasche. Am nächsten Morgen habe er sich Marihuana besorgt und am Abend Kokain.

Er habe sich "übermächtig" gefühlt an jenen Tagen, als er Drogen nahm, sagt Sewan S. "Ich habe Stimmen gehört. Sie haben mir befohlen, die Überfälle zu begehen."

Den Stimmen folgte er erstmals am 28. März. Er überfiel einen Aldi-Markt an der Grelckstraße in Lokstedt, erbeutete 1445 Euro. An Details des einwöchigen Raubzugs will er sich aber kaum erinnern. Auch daran nicht, dass er am 31. März in einem Edeka-Markt an der Osterstraße eine Angestellte laut Anklage beinahe tödlich verletzt haben soll. Nur mit Glück konnte sie der Messerattacke auf ihren Hals ausweichen. Am 3. April prügelte er mit der Faust auf den Kopf einer Kassiererin im Edeka-Markt an der Eimsbütteler Chaussee ein. Ein Angestellter wollte seine Flucht vereiteln - Sewan S. stach wieder zu, verfehlte die Brust knapp. Als sich ihm am selben Tag im Lidl-Markt am Eidelstedter Weg der 25 Jahre alte Filialleiter in den Weg stellte, verletzte er ihn durch einen Bauchstich lebensgefährlich. "Er hat mir in den Magen geboxt, da habe ich zugestochen."

Nur Stunden vor seiner Festnahme am 6. April überfiel er ein Sonnenstudio am Holstenplatz und bedrohte eine Angestellte: "Weine nicht, gib mir das Geld."

Ob er ahne, wie sich seine Opfer gefühlt hätten, will der Vorsitzende Richter wissen. Sewan S.: "Wohl nicht so gut." Das Ganze tue ihm aber "sehr leid". Der 25-Jährige befindet sich wieder in Ochsenzoll - verschärfter Vollzug. Sein Anwalt geht davon aus, dass er dort nach dem Urteil bleibt. "Wenn es mir gut geht, dann haue ich nicht ab", sagt Sewan S. "Deshalb", sagt der Richter süffisant, "wird man genau darauf achten, dass es Ihnen gut geht." Urteil: am 17. November.