Das Gesetz wurde in sehr kurzer Zeit beraten. Am Ende verzichteten alle Fraktionen auf eine spätere zweite Lesung.

Es ist das zentrale Reformprojekt des schwarz-grünen Senats, eines der ambitioniertesten überhaupt in den vergangenen Jahren in Hamburg. Dennoch wurde die Schulreform unter großem zeitlichem Druck verabschiedet. Bevor gestern Abend um kurz nach 19 Uhr im Rathaus die Hände gehoben wurden, war es auf den letzten Metern noch einmal richtig eng geworden. Noch um 13 Uhr, zwei Stunden vor Beginn der Bürgerschaftssitzung, kam der Schulausschuss zusammen, um über diverse Änderungsanträge zu beraten.

Die GAL wollte die Zusammensetzung der Lehrerkonferenzen präzisieren, die CDU den Anspruch auf Wechsel der Schule nach Klasse drei festschreiben, die Linke forderte eine weitere Absenkung der Klassengrößen, und die SPD unternahm einen letzten Vorstoß, die Einführung der Primarschule zu stoppen - und, und, und. Der "Bericht des Schulausschusses", der vor der eigentlichen Abstimmung auf der Tagesordnung stand, musste von der Bürgerschaftskanzlei noch hektisch aktualisiert werden.

In der Debatte bestand Dittmar Lemke (CDU) aber darauf, dass selten ein Gesetz "mit solcher Akribie vorbereitet" wurde. Dass die Reform "durchgepeitscht" werde, sei "grober Unfug". Es habe eine öffentliche Anhörung, eine mit Experten und eine mit dem Senat gegeben. Und schließlich habe die CDU auf ihrem Parteitag im Juli auch die eigene Basis beteiligt. Was nicht nur Lemke unerwähnt ließ: Die Zeit für die parlamentarische Beratung war angesichts eines solchen Mammutprojekts sehr kurz. Zwar waren die Eckpunkte schon länger bekannt, aber erst am 9. Juli hatte Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) alle konkreten Daten der Reform vorgestellt. Zieht man die Sommerpause ab, blieben ganze sechs Wochen, um sich damit auseinanderzusetzen.

Allerdings regte sich unter den Abgeordneten dagegen kein Widerspruch. Selbst von der Möglichkeit, die erste und zweite Lesung des Gesetzes zeitlich zu trennen und am 4. November erneut über die Reform zu debattieren - dann möglicherweise mit neuen Erkenntnissen -, machte keine Fraktion Gebrauch. Zumindest hinsichtlich der SPD, die, von einigen Abweichlern abgesehen, als einzige Partei komplett gegen die Reform ist, überraschte das. Doch letztlich wurde die Marschrichtung befolgt, die Zerrissenheit in Sachen Schulreform nicht unnötig öffentlich zu dokumentieren.

"Ich verstehe diesen Schweinsgalopp nicht", hatte der Hamburger Verfassungsrechtler Professor Ulrich Karpen im Abendblatt zu dem Verzicht auf eine "richtige" zweite Lesung gesagt. Auch der Verwaltungsrechtler Professor Arndt Schmehl sah das "verfassungspolitisch kritisch", und Handelskammerpräsident Frank Horch fand es "verwunderlich, dass plötzlich so eine Eile an den Tag gelegt wird".

Bürgermeister Ole von Beust hatte die Kritik auf dem CDU-Parteitag zurückgewiesen: "Von Durchpeitschen kann keine Rede sein. Dass wir die Schulreform in zwei Lesungen an einem Tag verabschieden wollen, ist parlamentarische Normalität." Der Gedanke, die zweite Debatte erst am 4. November anzusetzen, sei nur der Annahme entsprungen, die SPD würde das fordern.

Dass sie das nicht tat, passte CDU und GAL aber durchaus ins Konzept: Denn vom 28. Oktober an werden im Rahmen des Volksbegehrens Unterschriften gegen die Reform gesammelt. Seit gestern richten sie sich nicht mehr gegen eine geplante Reform, sondern gegen eine beschlossene. Das ändert zwar in der Sache wenig, könnte aber einige Bürger davon abhalten, die Reformgegner zu unterstützen.