Lange Reihe, Mühlenkamp, Grindelhof: Autofahrer und Fußgänger sollen gleichberechtigt sein.

Sie soll nicht zu stark befahren sein, maximal 400 Meter lang und in einem Geschäftsbereich liegen. Seit Monaten sind Hamburgs Bezirke auf der Suche nach der optimalen Gemeinschaftsstraße. Jetzt stehen die ersten Favoriten fest. Vier Bezirke haben sich jeweils auf eine Straße geeinigt, mit der sie sich bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) bewerben:

Altona: Bahrenfelder Straße (ein 200 Meter langer Abschnitt)

Mitte: Lange Reihe (zwischen Baumeisterstraße und Schmilinskystraße)

Bergedorf: Weidenbaumsweg (zwischen Alte Holstenstraße und dem Bahnhofsvorplatz)

Nord: Mühlenkamp (zwischen Kreuzung Hofweg/Am Langenzug/Winterhuder Weg/Grillparzerstraße und Kreuzung Mühlenkamp/Poelchaukamp/Preystraße). Sollte der Mühlenkamp abgelehnt werden, wurden als Alternativen die Tangstedter Landstraße (zwischen Langenhorner Chaussee und U-Bahnhof) sowie die Alsterdorfer Straße (zwischen Winterhuder Marktplatz/Hudtwalckerstraße und Lattenstieg) ausgewählt.

Zurzeit fertigen die Bezirke die Bewerbungsmappen für die Stadtentwicklungsbehörde an. In den anderen drei Bezirken müssen sich die politischen Gremien unterdessen noch zwischen folgenden Straßen entscheiden:

Harburg: Neue Straße oder Striepenweg

Eimsbüttel: Osterstraße, Grindelhof oder Grelckstraße

Wandsbek: Kunaustraße, Ostpreußenplatz, Stormarnplatz oder Rahlstedter Bahnhofstraße.

Eine Entscheidungsfrist gibt es nicht - diese wurde von der BSU aufgehoben. "Wir wollen nicht unnötig drängen", sagt Sprecherin Helma Krstanoski. "Was jetzt geklärt werden kann, erspart uns später zeitraubende Konfliktlösungsprozesse." Damit ist noch offen, wann es die erste Gemeinschaftsstraße geben wird. Sind die Bewerbungen eingegangen, prüft die BSU erst einmal die Vorschläge anhand ihres Kriterienkatalogs. Gibt es Widersprüche, wird eine Zusage im Einzelfall entschieden. Die Umsetzung liegt dann in der Hand der Bezirke.

Dabei werden auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus der Gemeinde Bohmte in Niedersachsen berücksichtigt, wo es die bislang einzige deutsche Gemeinschaftsstraße (dort unter dem Namen Shared Space) gibt. Die Analyse hat gezeigt: Mehr als 75 Prozent der Befragten halten Shared Space für einen Erfolg. Durch den besseren Verkehrsfluss seien Lärm und Luftverunreinigung zurückgegangen. Zudem sei der Bereich gemütlicher und sauberer als vorher, die Befragten halten sich dort jetzt lieber auf. Aber: Ein Teil der Befragten fühlt sich in dem neuen Bereich unsicherer. Das liege an der fehlenden Verkehrsordnung und der mangelnden Rücksichtnahme. Und obwohl auf der Straße erstmals keine Menschen verletzt worden sind, ist die Zahl der Unfälle mit Blechschäden gestiegen.

Der Leiter der Studie, Wolfgang Bode, bewertet das Prinzip Gemeinschaftsstraße dennoch positiv: "Ein gewisses Maß an Unsicherheit ist gewollt - sie erhöht die Aufmerksamkeit." Zudem sei das Sicherheitsgefühl sehr subjektiv: Viele fühlten sich unsicher, weil sie Schilder und Ampeln vermissen. An dieser Wahrnehmung müsse man arbeiten.

Was heißt das für Hamburg? "Wir können die Ergebnisse aus Bohmte nicht direkt übertragen", sagt Behördensprecherin Krstanoski. "Sicherheit hat aber Priorität. Wir gucken, was wir tun können, damit jeder Verkehrsteilnehmer sich sicher fühlt."

Der Interessenverband der Fußgänger FUSS e.V. ist von den Ergebnissen jedoch beunruhigt. "Fußgänger sind immer die schwächsten Verkehrsteilnehmer, im Zweifelsfall werden sich Auto- und Radfahrer durchsetzen", sagt Sprecherin Sonja Tesch. "Vor allem bei Kindern und Älteren."