Auch die satellitengestützte Schnitzeljagd “GPS-Mission“ wird auf den Straßen der Stadt gespielt. Ein Gratis-Hit, nicht nur für Computerfreaks.

Hamburg. Das Gold liegt mitten auf dem Rathausmarkt. 150 funkelnde Münzen, akkurat gestapelt. Eine junge Frau mit Kinderwagen steht direkt daneben. Sie weiß von dem Schatz zu ihren Füßen nichts. Denn er ist unsichtbar, zumindest für die meisten Menschen.

Philipp Graubaum (23) sieht die Münzen dagegen deutlich - auf dem Display seines Handys. Sein Telefon klimpert blechern. Ein Geräusch, das man aus Videospielen mit "Super Mario" kennt: Dort ertönt es, sobald der kleine Klempner auf seinen Missionen eine Goldmünze berührt und einsammelt. Das Münzensammeln auf dem Rathausmarkt funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Der Unterschied: Philipp alias "BubbleGun" muss sich tatsächlich bewegen, um die Münzen zu sammeln.

Bei "GPS-Mission" und "Fast Foot Challenge" (beide gratis im Internet) sitzen die Spieler nicht mehr vor dem Rechner und steuern die Spielfigur mit der Maus, sondern werden mit ihren realen Bewegungen Teil des Spiels. Möglich wird das durch die Verknüpfung des Internets mit dem Global Positioning System (GPS). Das Ortungssystem kann fast überall auf der Welt den Standort eines Menschen ermitteln, wenn dieser einen GPS-Empfänger bei sich trägt. Bei vielen Handys ist der sogar schon eingebaut.

Philipp kann auf seinem Display sehen, dass zeitgleich mit ihm auch zwei Spieler namens "Cayleb", Wilhelmshaven, und "parkerb524", Orlando in Florida, mit "GPS-Mission" unterwegs sind - wie ein Dutzend weitere in aller Welt. Ihre Wege kann Philipp mit "GoogleMaps" auf den Meter genau verfolgen. Als "BubbleGun" hat er in und um Hamburg mit "GPS-Mission" schon 381 Kilometer zurückgelegt und dabei 3343 Goldmünzen gesammelt. Im Gegensatz zu "Super Mario" kann sich der angehende Physiotherapeut damit kein zusätzliches Leben kaufen, aber eine virtuelle Trophäe erringen. 14 von ihnen besitzt Philipp schon, die unspektakulärste ist ein einfacher Wimpel, die schönste eine grüne Flasche mit einem rosafarbenen Geist darin, der aus einem Manga entsprungen zu sein scheint. Philipp trägt sie immer bei sich, auf seinem Handy, obwohl "sie eigentlich nichts bringen". Denn bei "Location Based Games", ortsgebundenen Spielen, wie der Fachbegriff lautet, ist der Weg das Ziel. Und der kann gemütlich sein, wie bei der Schnitzeljagd "GPS-Mission", bei der nicht nur Goldmünzen gesammelt, sondern mit Hinweisen bestimmte Orte gefunden werden müssen. Er kann aber auch schweißtreibend sein - zumindest, wenn man sportliche Mitspieler hat wie Philipp.

Die Jagd geht rund um den Hamburger Hauptbahnhof, im Radius von einem Kilometer. "Fast Foot Challenge" ist eine moderne Interpretation des Räuber-und-Gendarm-Spiels. Die Idee ist simpel: Philipp rennt weg, Christopher Witt (24), Fabian Böttge (22) und Benjamin Zahn (31) müssen ihn fangen. Auf ihren Handydisplays sehen sie alle sechs Minuten Philipps Position. Allerdings nicht auf einer Straßenkarte, sondern in einem grauen Kreis. 30 Minuten haben sie Zeit, ihn einzukreisen. Schaffen sie es, ihm auf 25 Meter nahe zu kommen, gilt er als gefangen.

"Das ist wie das Brettspiel Scotland Yard in echt", sagt Nils Behrens (30). Der Hamburger hat das Spiel zusammen mit einem Kommilitonen am Informatikzentrum der Uni Bremen entwickelt. Mittlerweile arbeiten fünf IT-Experten hauptberuflich an der Perfektionierung des Spiels. "Das ist viel cooler, als vor dem PC zu daddeln", sagt Christopher, als er verschwitzt und außer Atem wieder am Treffpunkt vor dem Hauptbahnhof eintrifft.

Besonders spannend bei "GPS-Mission" findet Philipp die Fluchtroute zweier RAF-Terroristen, die 1971 von der Polizei durch Hamburg gejagt wurden, nachdem ihr BMW eine Sperre auf der Stresemannstraße durchbrochen hatte. Erstellt wurde die "Zeitreise für Eilige" von Gesa Henselmans alias "miss-h". Die Doktorandin erforscht seit zwei Jahren GPS-Spiele an der Universität Konstanz und ist selbst dem GPS-Spiele-Virus verfallen.

"GPS ermöglicht neue Formen des spielerischen Umgangs mit Raum", sagt Gesa Henselmans. Das Entwicklungspotenzial GPS-basierter Spiele schätzt sie deshalb hoch ein: "Für den Kulturtourismus, Museen und den Schulunterricht gibt es da interessante Anwendungsmöglichkeiten." Dass sich nur Computerfreaks für die neuen Spiele interessieren, kann die Wissenschaftlerin nicht bestätigen. "Meine persönliche Einschätzung ist, dass solche Anwendungen durchaus auch viele Menschen im Alter von 40 bis 60 Jahren ansprechen", sagt sie. "Einerseits Menschen, die sich für neue Technologien interessieren - und andererseits auch Menschen, die gern draußen unterwegs sind und neue Orte erkunden."

Die Schnittstelle von echtem Leben und Cyberspace bietet nicht nur eine neue Plattform für Spiele, sondern auch für Programme mit wirtschaftlichem Nutzen. So gibt es in den Niederlanden ein Programm, mit dem Bilder, die per Handy aufgenommen werden, mit Informationen wie Immobilienpreisen angereichert werden können. Statt Goldmünzen auf dem Rathausmarkt könnte man dann den Kaufpreis des Penthouses nebenan sehen.