Zur ersten, wenig glamourösen Runde in Hamburg kommen Hunderte. Erst wer hier erfolgreich ist, darf zu Dieter Bohlen.

Sie muss schon wieder singen. Ach, was heißt sie muss : Sie will es ja. Grundsätzlich und immer. Musik ist ihr Leben. Also röhrt Jeanne Pietz vor der Kamera von RTL ihr "Zombie". Sie sitzt auf einem Klappstuhl aus Holz. In einer Turnhalle. Das Parkett unter ihr wirkt ziemlich mitgenommen und ziemlich unglamourös. Nicht wie Bretter, die die Welt bedeuten. Jeanne möchte ein Star werden, wie alle, die heute hier sind in der Halle des HT 16 Sportklub in Hamm.

Der Fernsehsender RTL hat zum Casting geladen für seine große Unterhaltungsshow "Deutschland sucht den Superstar". Die neue Staffel ist Anfang 2010 zu sehen. Den sperrigen Namen der Supershow um große Hoffnungen und heillose Blamagen spricht hier niemand aus.

Das Codewort lautet: DSDS. Für Jeanne, die 19-jährige Friseurin aus Stelle in Niedersachsen und für die anderen, die mit Gitarre, Textblatt und jeder Menge Selbstbewusstsein zum offenen Vorsingen gekommen sind. Aus Billstedt, Harburg, Altona oder St. Pauli. Aus Ostfriesland, Rotenburg oder Dithmarschen. Wer hier und heute vor den Juroren besteht, darf zu Dieter Bohlen und seinem Team, um am Ende vielleicht Deutschlands Superstar und am Ziel seiner Träume zu sein.

Erst einmal muss aber die Anmeldung ausgefüllt werden. Wer noch nicht volljährig ist, hat Mama oder Papa mitgebracht. Am frühen Mittag sind schon viele da, aber der Organisator rechnet mit noch mehr Musiktalenten im Laufe des Tages. Mit 80 Leuten ist die Produktionsfirma vor Ort. Menschen mit Kameras, Fotoapparaten und Mikrofonen wuseln herum. Besonders interessante Kandidaten werden herausgepickt. Bevor die Juroren ihnen ihr Gehör schenken, dient die Turnhalle den Wartenden als Aufenthaltsraum. An einem schmucklosen Tisch werden Getränke verkauft. Die Wand ist grün, an ihr hängen Zettel: "Gelb" steht drauf und "Rot". Man wird hier in Gruppen eingeteilt, weil das übersichtlicher ist. Ein großes Schild mit dem Logo der Sendung steht in der Mitte, von jeder Seite leuchten Strahler. Meistens werden die hoffnungsfrohen Teilnehmer vor dem Logo gefilmt oder interviewt - entweder bevor oder nachdem sie ihren großen Auftritt hatten.

Vorher üben sie. Überall. Sie singen, spielen Gitarre, üben sich in Konzentration. Manchmal, wenn die Kamera läuft, übt jemand besonders laut. Dann wird es stiller rundum in der Halle. Manche schauen bewundernd, manche argwöhnisch - die Konkurrenz schläft nicht.

Jasmin, 28, ist aus Bremerhaven nach Hamburg gekommen. Wie alle trägt sie eine Nummer auf ihrem Oberteil. Als Verstärkung hat sie ihre beiden kleinen Töchter mitgebracht. "Die geben mir Kraft", sagt sie.

Miszelina, 15, aus Billstedt hat ihr Bewerbungssingen schon hinter sich. Nervös sei sie gewesen, sagt sie, und "Mein Gefühl ist nicht so gut." Das Ergebnis bekommt sie wie alle erst später, jetzt heißt es wieder warten. So wie Karsten. Der 18-Jährige ist "zum Scherz hier". Sagt er. Er möchte mal ein bisschen Showgeschäft schnuppern. Neben ihm schminkt sich eine Mitbewerberin, hinter ihm sitzt ein tätowierter Rocker, der mit Blues-Stimme singt. Einer hat ein T-Shirt an mit eindeutiger Botschaft ("Sonja, komm zurück zu mir"). Ihm wünscht man besonders viel Glück. Manch anderen gute Freunde, die sie von Casting-Besuchen abhalten. Denn Dieter Bohlens Urteile können harsch ausfallen. Und manche Stimmen klingen zu schräg, manche Outfits sind zu gewöhnungsbedürftig, um nicht Vorlagen für die Spottsucht des Popstars aus Tötensen zu sein. Jeanne Pietz sieht das ziemlich gelassen: "Mir ist egal, ob ich vom Dieter einen auf den Deckel bekomme", sagt die Freizeitsängerin schulterzuckend. "Es heißt doch 'no risk - no fun', also riskiere ich heute was, um morgen vielleicht Spaß zu haben." Spricht sie und stapft davon, sie ist jetzt dran.