Obwohl ein “Einzelhaus“ genehmigt wurde, dürfen vier Einheiten entstehen. Ein Urteil von 1995 macht es möglich.

Das Problem ist kompliziert. Aber im Kern lässt es sich auf eine Frage reduzieren: Was ist ein Einzelhaus? "Vier Wände, ein Dach und Platz für eine Familie und die Oma", würden wohl 99 Prozent der Bevölkerung sinngemäß antworten - und damit die Wahrheit nur teilweise treffen. Denn auch ein Mehrfamilienhaus oder ein Reihenhaus mit vier Parteien können baurechtlich ein Einzelhaus sein - und das bringt Harald Apelt und seine "Nachbarschaftsinitiative Operettenviertel" in Meiendorf auf die Palme.

Unterstützt von einem Anwalt, der Wandsbeker Bezirksversammlung und dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ole Thorben Buschhüter, wehren sie sich dagegen, dass der Charakter ihrer Einfamilienhaussiedlung durch den Bau eines solchen Reihenhauses samt Parkplätzen im grünen Innenbereich verändert wird. "Das passt überhaupt nicht hierher", sagt Apelt. Dabei geht es nicht nur um diesen Einzelfall an der Lehárstraße, sondern um ein Problem, das allein in Wandsbek an mehr als 100 Stellen auftauchen könnte, Hunderte Mal in Hamburg, genau genommen ist es ein bundesweites Problem.

Die Geschichte: Die Siedlung entstand überwiegend in den späten 50er- und 60er Jahren. "Es dürfen ... nur eingeschossige Einfamilien-Wohnhäuser errichtet werden", steht in der Teilungsgenehmigung des Bezirks von 1956. Noch 1980 setzte sich die Stadt daher juristisch gegen eine Erbengemeinschaft durch, die dort ein Mehrfamilienhaus errichten wollte. 1982 stellte sie einen Bebauungsplan auf, mit dem ausdrücklichen Ziel, "den gewachsenen Charakter als Einfamilienhausgebiet zu erhalten".

"Das ist eine sehr schwammige Formulierung", sagt Thomas Behrens von der Hanseatischen Land-Handelsgesellschaft. Er will auf dem Grundstück Lehárstraße 7 ein marodes Einfamilienhaus abreißen und besagtes Reihenhaus (Einheit ab 199 000 Euro) errichten, hat mit vier Familien Vorverträge abgeschlossen, und versteht den Protest nicht. "Wir halten uns an alle Festsetzungen im Bebauungsplan, wir haben einen positiven Bauvorbescheid, und die Käufer wollen unbedingt dort hinziehen, obwohl sie um das Problem wissen."

"Das Problem" entstand 1995, genau am 8. Dezember. Damals legte das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen fest, dass ein "Einzelhaus" aus "mehreren aneinandergebauten, selbstständig benutzbaren Gebäuden" bestehen kann. Diese Auffassung bestätigte später das Bundesverwaltungsgericht. Unglücklicherweise gibt es allein im Bezirk Wandsbek mehr als 100 Bebauungspläne, die den Bau von Einzel- und Doppelhäusern zulassen. Gemeint hatten Planer und Politiker wohl Ein- oder Zweifamilienhäuser. Weil es die aber im Baurecht nicht gibt, werden auch größere Objekte gebaut.

Apelt und seine Mitstreiter sind nicht grundsätzlich gegen den Neubau. "Aber hier werden Bebauungspläne auf eine Art und Weise uminterpretiert, dass jedem normalen Bürger die Haare zu Berge stehen. Wenn das Schule macht, kann sich Hamburg auf ungemütliche Zeiten einstellen." Nach Beobachtung von Gisbert Gürth (CDU), Vorsitzender des Planungsausschusses im Bezirk, nutzen viele Investoren diese Unklarheit gezielt aus. "Die Lehárstraße ist nur ein Beispiel von vielen, ich kenne fünf bis sechs weitere Fälle, in denen es Streit gibt." So wurde der Bau eines Fünf-Familienhauses in Rahlstedt vom Oberverwaltungsgericht im Eilverfahren gestoppt.

Auch SPD-Stadtplanungsexperte Hans-Joachim Klier findet den Fall Leharstraße "abstrus". Auf Antrag seiner Fraktion hat die Bezirksversammlung einstimmig Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU) aufgefordert, das Verfahren an sich zu ziehen und den Widerspruch der Anwohner durchzusetzen - "weil die Angelegenheit von grundsätzlicher und erheblicher Bedeutung ist". Gegenüber dem Abendblatt äußerte sich die Verwaltungschefin unter Hinweis auf das laufende Verfahren nicht.

Und wie könnte die Sache grundsätzlich gelöst werden? "Man müsste das Baugesetzbuch ändern", sagt Gürth. "Aber das ist ein bundesweites Problem." Die Frage des SPD-Abgeordneten Buschhüter, ob der CDU/GAL-Senat die Bezirke anweise, die "wachsende Stadt" mittels dieser Gesetzeslücke zu fördern, weist dieser zurück. Die Stadtentwicklungsbehörde räumt zwar ein, dass das Thema in allen Bezirken hin und wieder auftauche. Einen Vorstoß auf Bundesebene zwecks Abhilfe sei aber nicht geplant