Eines vorweg: Ich liebe diese Stadt. Nicht ohne Grund ist Hamburg der Ort, den ich mir zum Leben ausgesucht habe. Zuhause. Heimat.

Ich habe also vollstes Verständnis für einen ausgeprägten Patriotismus, was diesen Ort angeht: Erfreue mich an einem Sonnenaufgang über der Elbe genauso wie an einem Sonntagsspaziergang an der Alster.

Es gibt aber noch etwas, was diese Stadt auszeichnet - ihre hanseatische Vergangenheit, samt den dazugehörigen Tugenden: Ehrlichkeit, Zurückhaltung, die Fähigkeit zur Selbstironie.

Die Hamburg Marketing GmbH (HMG) hat sich in dieser Woche scheinbar einer ganz anderen Eigenschaft bedient. Wie uns Historiker wissen lassen, waren Hanseaten nämlich auch bekannt für ihren "Eigendünkel", der ihre Vaterstadt für sie zum "glücklichsten Aufenthaltsort in der Welt machte". Das ist zwar auf der einen Seite schön, sollte aber nicht dazu führen, dass die Distanz komplett verloren geht, der klare Blick auf Realitäten vernebelt wird.

Die "Markenanalyse", die Professor Klaus Brandmeyer im Auftrag der Hamburg Marketing vorgestellt hat, sieht Hamburg also in seiner Beliebtheit bei Privatpersonen und Unternehmen im In- und Ausland vor Barcelona, Wien, Kopenhagen und Mailand. Schön und gut. Das freut uns Hamburger, weil wir das nur all zu gerne glauben wollen.

Spätestens bei der Detailstudie der Markenanalyse treten allerdings deutliche Fragezeichen auf. Da ist von "pulsierenden Szenen" die Rede. Die junge Klub- und Musikszene sei von den Befragten als besonders attraktiv wahrgenommen worden. Bei Klub- und Musikszene fällt den meisten Hamburgern wohl zurzeit das Klubsterben an der Sternenbrücke ein. Doch davon kein Wort.

Laut Befragung sei vor allem die "Creative Class" so begeistert von der Stadt. Wer auch immer ganz genau diese Kreativen sein mögen - fragt man die Künstler dieser Stadt, wird es zurzeit wohl eher bittere Beschwerden als Begeisterung geben. Die soziale Situation der Freien-Theater-Szene ist so bedrohlich, dass sie jetzt öffentlich Alarm schlägt. Hamburger Künstler besetzen freie Häuser wie im Gängeviertel, um auf die Raumknappheit für günstige Ateliers aufmerksam zu machen. Andere, wie im Altonaer Frappant-Gebäude, wollen ihre kurzzeitig angemieteten Ateliers nicht verlassen, weil sie nicht wissen, wohin. Doch davon kein Wort.

Der Hafen und die Landungsbrücken ziehen die Touristen am meisten an, heißt es in der Umfrage. Tatsächlich gibt es eine Diskussion um neue Kreuzfahrtterminals, mehr und größere Schiffe und die damit verbundenen Problemen wie Abgase, Lärm- und Umweltbelastung. Doch davon kein Wort.

Liebe Hamburg Marketing: Patriotismus ist eine wunderschöne Sache - Realismus aber auch!

Rebecca Kresse ist Redakteurin im Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblatts.