Überdurchschnittlich viele Bürgerbegehren. Warum wollen die Bewohner so häufig selbst entscheiden? Opposition vermutet: Vertrauen in die Funktionsträger fehlt.

Die Bürger im Bezirk Altona gehören offenbar zu den streitbarsten in Hamburg - das jedenfalls lässt die hohe Anzahl von Bürgerbegehren vermuten, die im Westen der Hansestadt zurzeit angelaufen sind. Zwar registrierte der einwohnerstärkste Hamburger Bezirk Wandsbek (400 000 Einwohner) zahlenmäßig mehr Bürgerbegehren als Altona (250 000 Einwohner) in den vergangenen Monaten. "Doch bei der Zahl der aktuellen Fälle führen wir", sagt Altonas Bezirksamtsleiter Jürgen Warmke-Rose. In der Kommunalpolitik ist daher nun ein Streit ausgebrochen, warum das so ist. FDP-Politiker Lorenz Flemming wirft der schwarz-grünen Koalition im Bezirk vor, dass ihre Politik an etlichen Ecken Altonas Unmut hervorrufe: "Das ist ein Zeichen von Misstrauen." Noch forscher geht Robert Jarowoy (Die Linke) mit CDU und GAL ins Gericht: Die vielen Bürgerbegehren seien Indiz dafür, dass in Altona immer mehr öffentliche Flächen gegen die Interessen der Bürger von der Stadt verkauft würden.

Die SPD-Politikerin Melanie Schlotzhauer wertete die Streitlust der Altonaer indes als Zeichen, dass die Kommunalpolitik neue Formen der Bürgerbeteiligung brauche. Andreas Grutzeck von der CDU warf hingegen SPD und Linken vor, dass sie Bürgerbegehren aus taktischen Gründen unterstützten - obwohl der Bezirk in vielen Streitfragen gar keine Entscheidungskompetenz habe oder juristisch gar nichts mehr ändern könne. Tatsächlich ist die Situation bei den Altonaer Bürgerbegehren nicht immer ganz eindeutig:

- Kleingartenverkauf für den A-7-Deckel: Das Bürgerbegehren ist erfolgreich, doch zu einem Bürgerentscheid, einer Abstimmung, kommt es nicht, weil der Senat die Planung dem Bezirk aus der Hand genommen und das Begehren damit ausgehebelt hat.

- Ortszentrum Blankenese: CDU und GAL planten Kreisverkehr, Tiefgarage und Gemeinschaftsstraße. Als die Pläne weitgehend vorangeschritten sind, erhebt sich Protest und ein Bürgerbegehren wird angekündigt - die schwarz-grüne Koalition will es aber nicht darauf ankommen lassen und hat ihre Pläne erst einmal wieder auf Eis gelegt.

- Bücherhallen Iserbrook und Rissen: Die Stiftung Hamburger Bücherhallen plant die Schließung der beiden Zweigstellen. Bei einem Bürgerbegehren gegen die Schließung in Iserbrook sind gut 5800 Unterschriften zusammengekommen - damit könnte es zu einem Bürgerentscheid, also einer regelrechten Abstimmung aller 185 000 wahlberechtigten Bürger im Bezirk kommen. Die Bezirksversammlung hat sich dem Begehren allerdings jetzt angeschlossen - was nur eher symbolischen Wert hat, weil der Bezirk gar nicht über Schließung oder Eröffnung von Bücherhallen entscheiden kann. Auch gegen die Schließung der Bücherhalle in Rissen ist ein Bürgerbegehren in Arbeit.

- Ikea-Ansiedelung auf dem Frappant-Gelände: Dafür gibt es sowohl ein Pro- als auch ein Kontra-Bürgerbegehren. Sollten die Ikea-Gegner die 5800-Unterschriften-Hürde schaffen, käme es voraussichtlich im Mai in Altona zu einer Abstimmung. Zwar gab es einmal Überlegungen, dass der Senat das Verfahren an sich zieht. Doch auf Druck der GAL sind diese Pläne vom Tisch.

- Buchenhofwald-Bebauung an der Osdorfer Landstraße: Gegen das Fällen von 120 Bäumen und den Bau von 66 Wohnungen konnten bei einem Bürgerbegehren die benötigten 5800 Unterschriften gesammelt werden. Am 5. November kommt es daher zu einem Bürgerentscheid. Zwei Wochen vorher bekommen alle Wahlberechtigten in Altona Unterlagen zur Abstimmung, die bis zum 5. November an das Rathaus geschickt werden müssen. Allerdings gibt es für den Bau bereits eine Genehmigung. Nach Einschätzung der Bezirksverwaltung kann die Abstimmung daher gar nichts mehr verhindern. Die Initiatoren sehen das anders, und haben bereits Beschwerde eingelegt. Möglich ist in diesem Fall daher noch eine Auseinandersetzung vor Gericht.