Vor allem in sozialen Brennpunkten gibt es bessere Verdienstmöglichkeiten. Ärztekammer-Chef Montgomery ist dennoch unzufrieden.

Hamburg. Hamburgs niedergelassene Ärzte gehören zu den großen Gewinnern der am 1. Januar in Kraft getretenen Honorarreform. Die Einnahmen sind in diesem Jahr um satte 14 Prozent gestiegen und damit stärker als im Bundesdurchschnitt (plus 7,8 Prozent).

"Es sind erste Zahlen und wir müssen Sondereffekte berücksichtigen. Aber die Honorare sind deutlich gestiegen", sagte Walter Plassmann, der stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg. Er bestätigte damit einen Bericht des Senders NDR 90,3.

Vor allem Allgemeinmediziner in sozial benachteiligten Stadtteilen hätten mit 15 Prozent Zuwachs profitiert, sagte Plassmann. Bisher liegen Hausärzte wie Kinderärzte am unteren Rand der Einkommensskala der Praxismediziner. Sie bekamen 2007 im Bundesdurchschnitt 116 000 Euro im Jahr vor Steuern. Ein niedergelassener Orthopäde kommt dagegen auf durchschnittlich 186 000 Euro abzüglich Steuern.

Hamburgs Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery ist trotz des Anstiegs der Einkommen unzufrieden. "Die Honorarsituation ist nach wie vor schlecht. 30 Prozent der Arbeit erledigen wir kostenlos", sagte er dem Abendblatt.

Kinderärztin Marie Coen aus Barmbek-Nord sieht das anders, denn sie zählt sich zu den Gewinnern der Reform. Etwa zwölf Prozent mehr Honorare hat die Ärztin einer Praxisgemeinschaft erhalten. "Wir sind ganz zufrieden, konnten uns aber auch vorher schon nicht beschweren," sagt Coen. Der Preis dafür: 60 Arbeitsstunden pro Woche und mehr. Die Honorarreform greife insbesondere bei großen Praxen, sagt Coen. Wurde zuvor viel "wegbudgetiert", sei die Honorarverteilung nach der Reform gerechter.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) war wegen der Reform noch zu Jahresbeginn von Ärzten heftig attackiert worden, weil sie dramatische Einbußen befürchteten.

Kern der Reform: Die Leistungen der Mediziner haben jetzt einen vorher festgelegten Geldwert. Zuvor waren sie über ein Punkte-System abgerechnet worden. Der Gegenwert dieser Punkte in Euro konnte deutlich sinken, wenn es zu viele Behandlungen gab.

Der Hamburger Hausärzteverband reagierte denn auch mit Genugtuung. "Die neuen Zahlen decken sich mit unseren Erkenntnissen," sagt der Zweite Vorsitzende Volker Lambert. "Wir sind Schmidt dankbar, haben von vornherein immer dafür gekämpft." Mit der Honorarreform sei die Gebührenordnung transparenter und auch gerechter geworden. "Allgemeinmediziner in sozial benachteiligten Stadtteilen haben besonders viele Patienten," sagt Lambert. Diese Fallzahlen seien erst mit der Reform berücksichtigt worden, weshalb Hausärzte auch die größten Steigerungen verzeichneten.

In Billstedt scheint der Geldsegen angekommen zu sein. "Wir haben profitiert. Das hat uns sehr überrascht", sagte ein Hausarzt, der seit 23 Jahren im Stadtteil praktiziert, aber nicht genannt werden möchte. "Zum ersten Mal bleibt am Ende des Quartals etwas übrig." Gerade in dicht besiedelten und sozial schwachen Stadtteilen hätte die Ärzteschaft Probleme gehabt. "Wenn der Trend weiter so bleibt, kann ich mir gut vorstellen, dass die Abwanderung der Ärzte aus diesen Stadtteilen abebbt", hofft er.

Die größten Gewinner der Reform gibt es indes in Berlin. Dort stiegen die Honorare um stolze 32,2 Prozent. Die Verlierer sitzen dagegen in Schleswig-Holstein: Minus sieben Prozent lautet die Honorarbilanz im Norden.