Ämter entscheiden offenbar nach Bauchgefühl über Installation von Kameras. CDU verspricht Abhilfe.

Mit insgesamt 397 Videokameras überwachen Hamburger Behörden öffentliche Plätze, ohne, dass es dafür eine rechtliche Grundlage gäbe. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Johannes Casper fordert eine umgehende Demontage oder das Abschalten der Kameras - zumindest, bis auf politischer Ebene eine Rechtsgrundlage geschaffen ist. Bei Oppositionspolitikern hat der durch eine Senatsanfrage der Links-Abgeordneten Christiane Schneider zutage getretene Missstand Empörung ausgelöst. Die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Viviane Spethmann, verspricht eine schnelle Lösung.

90 Kameras an Dienstgebäuden, 41 an Museen und öffentlich-rechtlichen Stiftungen, 46 an Schulen, 73 an Hochschulen - und für keine der installierten Aufzeichnungs- und Überwachungsgeräte gibt es eine formelle Genehmigung. "Das darf nicht sein", sagt der Datenschutzbeauftragte Casper, "auch, wenn es in vielen Fällen nachvollziehbar ist, dass Behörden und öffentliche Stellen eine Überwachung für erforderlich halten." Die Kameras der Innenbehörde sind in der Statistik nicht mit erfasst. Casper: "Die Videoüberwachung stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar. Im Extremfall können aufgezeichnete Bilder zu Bewegungs- und Verhaltensprofilen verdichtet werden." Casper fordert eine schnelle politische Aufarbeitung des Problems - und eine Meldepflicht für Kameras.

Bislang entscheiden die Behörden nach eigenem Ermessen, wo sie welche Art von Kamera anbauen und wie sie die Bilder nutzen. Hamburg ist mit Thüringen das nahezu einzige Bundesland, in dem die Überwachung öffentlicher Plätze noch nicht klar reglementiert ist.

Casper fordert deshalb schnell Richtlinien, die auch den Behörden Sicherheit geben sollen. Darin sollte, so der Datenschutzbeauftragte, definiert sein, zu welchem Zweck, mit welcher Kennzeichnung und mit welcher Speicherdauer Bilder produziert werden dürfen. Für den privaten Bereich ist dies durch das Bundesdatenschutzgesetz geregelt. Paragraf 6b sieht unter anderem eine Kennzeichnungspflicht der Videoüberwachung vor.

7076 Kameras privater Betreiber sind den Hamburger Behörden derzeit bekannt. Die Kameras der Deutschen Bahn sind hier nicht eingerechnet.

Linke-Sprecherin Christiane Schneider hat sich den Forderungen des Datenschutzbeauftragten angeschlossen. Die SPD-Abgeordneten Jana Schiedek und Andreas Dressel bezeichneten die Kritik des Datenschutzbeauftragten als "klare Klatsche für Schwarz-Grün." Schiedek: "Gerade die Grünen, die die Bürgerrechte immer so hochhalten, müssen sich fragen lassen, warum sie hier nicht stärker auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Anforderungen gedrungen haben." Die Videoüberwachung, so Dressel, sei ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Stadt. Die Einhaltung der rechtlichen Standards sollte für den Senat jedoch Pflicht, nicht Kür sein."

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Viviane Spethmann, sagt: "Falls eine Rechtsgrundlage fehlen sollte, werden wir umgehend eine solche schaffen. Wir halten die Videoüberwachung im Hinblick auf die Sicherheit der Bürger und der Beamten für unabdingbar. Die mitschwingende Kritik des Datenschutzbeauftragten können wir so aber nicht teilen." Der rechtspolitische Sprecher der GAL, Farid Müller, fordert eine Sondersitzung des Unterausschusses für Datenschutz. "Das sind Vorwürfe die man ernst nehmen und öffentlich diskutieren muss".

Eine Abendblatt-Umfrage ergab, dass nur wenige Behörden Gebäude videoüberwachen: So verzichten Gesundheits-, Umwelt- oder Finanzbehörde und die Arbeitsagentur komplett auf Videobilder.

Johannes Casper hofft, dass die Behörden die Kameras bis zu einer Klärung der Rechtslage abschalten - und dass danach auf einige Kameras verzichtet wird. Casper: "Bei der Suche nach Richtlinien kann sich die Politik bei anderen Bundesländern bedienen. Dort gibt es eine Fülle von Regelungen."

Videoüberwachung im öffentlichen Raum Hamburgs

Quelle: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg