Am Wochenende bietet der “Tag des offenen Denkmals“ die Gelegenheit, Baugeschichte hautnah zu erleben.

Hamburg. In warmem Rot steigen die frisch restaurierten Ziegelmauern zu einer Tonne an, die sich über einem lang gestreckten Raum wölbt, in dem früher Eiseskälte herrschte. Heute sind die Temperaturen in dem ehemaligen Eiskeller unweit der Altonaer Königstraße sehr viel angenehmer, moderne Designerleuchten aus Edelstahl verbreiten warmes Licht. An den Wänden entsteht ein reizvolles Spiel von Helligkeit und Schatten, der Raum entfaltet eine ganz eigene, anheimelnde und doch ein wenig geheimnisvolle Atmosphäre.

Andreas Dofflein, der Besitzer dieses lange vergessenen Baudenkmals, erzählt dessen Geschichte, die bis ins späte 19. Jahrhundert zurückreicht: Im Jahr 1870, als Altona noch zu Preußen gehörte, wurde das Gewölbe für das Restaurant des benachbarten Stadttheaters als Eislager erbaut. "In der Zeit vor Erfindung der Kältemaschine brauchten Restaurants, Brauereien und zum Beispiel auch Fischfabriken gut isolierte Kellerräume, in denen sie die Eisblöcke lagern konnten, die als Kühlmittel verwendet wurden", erklärt Dofflein, der uns zu einem brunnenähnlichen Schacht in einem Nebenraum führt. "Dieser Sickerschacht ist etwa 15 Meter tief, er war notwendig, damit das Schmelzwasser ablaufen konnte", sagt er. Wahrscheinlich gab es ursprünglich sogar einen Tunnel, der bis zur Elbe hinabführte, wo im Winter das Eis "geerntet" wurde. Zum "Tag des offenen Denkmals" am Wochenende (siehe Kasten unten) ist der ehemalige Eiskeller für Besichtigungen geöffnet.

In Hamburg gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert eine ganze Reihe von Eiskellern. Vor allem kleinere Kellergewölbe wurden noch bis in die 50er-Jahre in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Ältere Hamburger erinnern sich noch, wie Eisblöcke für Geschäfte, aber auch für private Haushalte ausgetragen wurden. In Hamburg und Ottensen stellte die Firma Rieper & Komp. im 19. und frühen 20. Jahrhundert Eisschränke her, hölzerne Küchenmöbel, die mit Zinkblech ausgeschlagen und gut isoliert waren. Erst in der Zeit des Wirtschaftswunders wurden sie von elektrischen Kühlschränken abgelöst. Später nutzte man die Keller als Lagerräume, viele wurden zugeschüttet oder abgerissen.

Der Eiskeller des Altonaer Stadttheaters blieb jedoch erhalten, jahrzehntelang diente er als Lagerraum, bis er 1937 kriegsbedingt eine neue Funktion erhielt: Damals ließen die Behörden das massive Gewölbe zum Luftschutzkeller umbauen. Während der Bombennächte fanden hier bis zu 300 Menschen aus der Umgebung Zuflucht, harrten während der Luftangriffe oft im Dunklen aus und stellten später manchmal verzweifelt fest, dass ihre Wohnungen in Schutt und Asche gesunken waren.

Das Haus Lessers Passage 4 und ein Nachbarhaus hielten den Bomben stand, die meisten anderen Gebäude in der Nachbarschaft wurden im Hamburger Feuersturm 1943 zerstört, auch das 1876 an der Königstraße erbaute Altonaer Stadttheater.

1996 kaufte Dofflein die beiden erhaltenen historischen Häuser, deren maßvolle und ausgewogene Fassaden noch die Noblesse des untergegangenen neoklassizistischen Stadtquartiers erahnen lassen. Der neue Besitzer ließ die Gebäude mustergültig restaurieren und hatte für den denkmalgeschützten Keller eine Vision: "Wenn man die Einbauten, die für die Nutzung als Luftschutzraum notwendig geworden waren, wieder entfernen würde, müsste der Raum in seinen ursprünglichen Dimensionen wunderbar für Kunstausstellungen, Empfänge und Events geeignet sein", fand der Unternehmer.

Die Restaurierung, die im vergangenen Jahr abgeschlossen werden konnte, erwies sich als kostspieliges Abenteuer, doch das Ergebnis ist faszinierend. Seither ist der ehemalige Eiskeller unter Lessers Passage ein reizvoller Veranstaltungs- und Ausstellungsort. Es lohnt sich also, am Sonnabend und Sonntag in der Zeit zwischen 10 und 17 Uhr die Treppen in das geschichtsträchtige Gemäuer hinabzusteigen. Dort werden kleine Leckereien angeboten, außerdem ist in dem Gewölbe eine Ausstellung mit Neonskulpturen des Hamburger Künstlers Benjamin Schubert zu besichtigen (Eintritt frei).