Vor nicht einmal zehn Tagen haben wir hier in Hamburg in der Ruine der Nikolaikirche an den Beginn des Zweiten Weltkrieges erinnert. Das Naziregime und seine Mitläufer haben mit diesem Angriffskrieg großes Leid über die Welt und am Ende auch über das eigene Volk gebracht.

"Nie wieder" - so lautete die Lehre, die Kirchen, Gewerkschaften und alle demokratischen Parteien 1945 aus Diktatur und Holocaust gezogen haben.

Doch 70 Jahre später erleben wir, wie Neonazis in unserem Land und auch hier in Hamburg immer offener ihre Hassparolen verbreiten. Geschützt von derselben demokratischen Ordnung, die sie bekämpfen, hetzen sie gegen Ausländer, gegen Juden und andere Minderheiten. Dabei ist ihnen jeder Anlass recht, ihre menschenverachtende Ideologie unter die Leute zu bringen - sei es der 1. Mai, sei es das Schanzenfest.

Natürlich geht es den neuen Nazis in diesen Tagen auch um Wahlkampf. Daneben aber wollen sie mit ihrer Präsenz auf der Straße Angst und Schrecken verbreiten. Nicht selten werden Menschen anderer Hautfarbe oder anderer Gesinnung von ihnen bedroht, zusammengeschlagen oder sogar getötet. Als Kirche rufen wir dazu auf, diesem Geist der Gewalt entgegenzutreten. Wir glauben, dass die Menschen vor Gott gleich sind, egal, welcher Hautfarbe oder Abstammung sie sein mögen.

Doch die rechtsextremen Parolen richten sich nicht nur gegen Minderheiten - sie stellen auch unsere Demokratie infrage. Dagegen müssen wir als Christinnen und Christen, als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger immer wieder neu unsere Stimme erheben. Zwar ist auch die Demokratie nicht vollkommen. Sie ist die einzige Staatsform, die sicherstellt, dass der Wille der Mehrheit und der Schutz der Minderheit zu ihrem Recht kommen. All das sind gute Gründe, sich für die Demokratie und gegen Hassparolen einzusetzen: Mit Demonstrationen wie der von den Gewerkschaften geplanten Kundgebung "Gesicht zeigen" in der City. Mit Stellungnahmen, wie Politiker sie jetzt abgeben. Und nicht zuletzt mit Gebeten, die uns geistlich stärken. Wichtig ist dabei, dass der Protest friedlich bleibt. Steine und Brandfackeln dürfen niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Denn wer Gewalt mit Gegengewalt vergilt, verwandelt sich unmerklich in den Gegner, den zu bekämpfen er vorgibt.