Viele Hamburger haben Großes geleistet. Eine Auswahl von 60 Prominenten, die die Bundesrepublik in den vergangenen 60 Jahren nachhaltig politisch, wirtschaftlich, kulturell oder sportlich geprägt haben, steht deshalb in sechs Kategorien zur Abstimmung. Täglich stellt das Abendblatt eine andere Kategorie vor. Wer ist Ihr Favorit? Geben Sie im Internet Ihre Stimme ab. Und auch Sie können ein Gewinner sein ...

1. Wolf Biermann

"Berlin ist meine erste Liebe seit 1955. Und die Stadt wurde meine alte Liebe, weil ich mich immer wieder neu in sie verliebt habe" - das sagt der 1936 in Hamburg geborene Künstler Wolf Biermann. Wir sehen es ihm nach. Biermann, Liedermacher, Dissident und Ausgebürgerter, wuchs in Hammerbrook auf, verliebte sich nicht nur in Berlin, sondern auch in den Sozialismus und ging 1957 "nach drüben", wie man damals sagte. Als ihm 1976 eine Tournee durch die Bundesrepublik genehmigt wird, ist das erste Konzert in Köln der Vorwand, ihn wegen "Staatsfeindlichkeit" aus der DDR auszubürgern. 2008 wurde Biermann Berlins 115. Ehrenbürger. Und nach 30 Jahren in seiner Geburtsstadt fasste er auch Pläne, zurück nach Berlin zu ziehen. Begründung? "In Hamburg bin ich nur ein Fischkopp unter vielen Fischköppen." Wenigstens weiß er, wer er ist!

2. Ina Müller

Charmant, schlagfertig, intelligent. Und singen kann sie auch noch: Ina Müller, geboren am 25. Juli 1965, ist ein strahlendes Nordlicht und durch ihre Late-Night-Talkshow "Inas Nacht" längst auch bundesweit bekannt. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, im Dorf Köhlen (Landkreis Cuxhaven) ist die Moderatorin und Sängerin nicht nur im Herzen Hamburgerin: Sie lebt in der Neustadt. Ihre Karriere hat sie weiter nördlich gestartet: auf Sylt, wo Ina Müller als pharmazeutisch-technische Assistentin in einer Apotheke arbeitete. Auf der Insel wurde Müller als Teil des Gesangsduos Queen Bee mit plattdeutschen Abenden zum Publikumsmagneten. Der große Durchbruch gelang ihr 2006 mit dem Album "Weiblich, ledig, 40". Auch weil die Texte ihrer Songs so wunderbar selbstironisch sind - wie "Lieber Orangenhaut" oder "Bye Bye Arschgeweih".

3. Wolfgang Borchert

"Draußen vor der Tür" - nur eine Woche brauchte der schwer kranke Wolfgang Borchert, um diese "bittere Klage eines Heimkehrers" 1947 aufzuschreiben. An den Hamburger Kammerspielen wurde das Drama noch im selben Jahr aufgeführt - doch der Schriftsteller selbst erlebte dies nicht mehr, er starb am 20. November 1947 in Basel. Zu sehr hatten ihn die Traumata des Weltkriegs mitgenommen, der Krieg ihn körperlich und seelisch verwundet. 1941 war Borchert, der am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren worden war, zum Dienst an der Front eingezogen worden. 1956 zurück in Hamburg, schrieb er bis zu seinem Tod 19 Kurzgeschichten.

4. Ralph Giordano

Ralph Giordano hat sizilianische Wurzeln, sein Großvater war Musiker und strandete in Hamburg. Giordano, geboren 1923, wuchs in Barmbek auf. Weil er eine jüdische Mutter hatte, wurde er während der Nazi-Diktatur von seiner Schule entfernt und durchlitt mit seiner Familie alle Stadien der Ausgrenzung bis hin zur Gestapo-Folter. Er überlebte den Krieg in einem Versteck in Alsterdorf. Nach der Befreiung reiste er als TV-Reporter um die Welt. 1982 erschien sein Roman "Die Bertinis" - eine sensible Schilderung der Zeit der Verfolgung. In Hamburg ist er Ehrenvorsitzender des Bertini-Preises, der jedes Jahr an Jugendliche verliehen wird.

5. Walter Jens

"Wir ehren heute, das sage ich mutig besitzergreifend, einen Hamburger, jedenfalls einen in Hamburg Geborenen, der in Hamburg aufgewachsen ist, dort studiert hat, einen, der stets mit Hamburg besonders eng verbunden war", sagte Kultursenatorin Karin von Welck 2005, als die Uni Hamburg Walter Jens die Ehrendoktorwürde verlieh. Jens, 1923 geboren, besuchte das Johanneum und studierte Philologie und Germanistik. Nach seiner Promotion wurde er Assistent an der Hamburger Uni, bevor er sich 1949 in Tübingen habilitierte. Hier wirkte er bis 1988 auch als Professor. Der Gelehrte leidet seit 2004 an fortschreitender Demenz.

6. Bert Kaempfert

Wunderland bei Nacht brachte ihm kein Glück. Wonderland by Night schon: Unter dem deutschen Titel wollte keine Plattenfirma den 1959 von Bert Kaempfert produzierten Titel herausbringen. Also übersetzte der Hamburger, der am 16.Oktober 1923 in Barmbek geboren wurde, ihn ins Englische und bot ihn in New York an - mit großem Erfolg. Es war der erste Nummer-eins-Hit eines Deutschen in Amerika überhaupt. Er arbeitete mit den ganz Großen der Branche zusammen: Für Elvis Presley bearbeitete er das Lied "Muss i denn zum Städtele hinaus". Bis zu seinem Tod am 21. Juni 1980 verkaufte er 150 Millionen Platten.

7. James Last

Hans Last ist der berühmteste Sebaldsbrücker, alle Welt kennt ihn als James Last und als Hamburger. Last, der König der Fahrstuhlmusik, ist der "Mister Happy Sound", und das heißt: lässig die Glieder schütteln, aber dabei auf der Tanzfläche bloß nicht ins Schwitzen geraten. Die Kompositionen des Bandleaders Last sind leicht verdauliches Easy Listening. Dieses Jahr wurde Last 80 Jahre alt. Groß gefeiert wurde in Hamburg. Dorthin war der Sohn eines Bremer Gasablesers 1955 gezogen. Seine erfolgreichste Zeit hatte der Poppenbüttler Last (gut, manchmal lebt er in Florida) in den 70er-Jahren. Er sammelte unzählige Goldene Schallplatten.

8. Udo Lindenberg

Eigentlich ist Udo Lindenberg Westfale (geboren 1946 in Gronau), aber das haben die meisten Hamburger längst vergessen. Für seine hanseatischen Fans, und nicht nur für die, gehört er nicht nur zum beweglichen Inventar des Hotels Atlantic, wo Udo seit vielen Jahren auf der Suche nach Eierlikören zum Malen seiner berühmten "Likörelle" durch die Gänge geistert, sondern zum Stadtbild zwischen Michel und Alster, "Uwe" und "Udo". Sein Einfluss auf die deutsche Popgeschichte ist unbestritten einzigartig, die Reihe seiner künstlerischen Erfolge und Auszeichnungen lang. Trotzdem blieb er eine vielleicht kauzige und abgehobene ("Der Astronaut muss weiter"), aber trotzdem immer nahbare Persönlichkeit. Seine 1968 geweckte Liebe zu Hamburg besang er in vielen Liedern, und 2008 gelang ihm mit "Stark wie zwei" ein glänzendes Comeback. Dabei war er nie weg.

9. Peter Rühmkorf

Er war ein Unbequemer, nicht selten ein Unruhestifter. Nur eins war Peter Rühmkorf nie: nur Dichter. Dramatiker, Essayist, Poet, Pamphletist - seine künstlerische Mehrfachtätigkeit bezeichnete er als "Schizografie". Etliche Preise erhielt der Freidenker, darunter den "Georg-Büchner-Preis". Mit "Die Jahre, die ihr kennt" gelang ihm 1972 der Durchbruch. Auch außerhalb des Literaturbetriebs polarisierte Rühmkorf: Er war Linksintellektueller, Aktivist der Anti-Atomkraft-Bewegung, Mitbegründer der Ultralinks-Zeitschrift "Konkret" und Antipode der etablierten "Altherrengermanistik". Der Sprachvirtuose, aufgewachsen in der Nähe von Stade, lebte lange mit seiner Frau Eva in Övelgönne. Am 8. Juni 2008 erlag er im Alter von 78 Jahren einem Krebsleiden. Ganz ruhig wurde es bei der Trauerfeier, als Verse aus seinem letzten Band "Paradiesvogelschiss" erklangen.

10. Otto Gerhard Waalkes

Der Außerfriesische und (Wahl-)Hamburger mit Wohnsitz Blankenese: Otto Gerhard Waalkes, geboren am 22. Juli 1948 in Emden, zählt zu den bekanntesten Komikern Deutschlands. Seine Kalauer und Wortspiele haben ihn berühmt gemacht - dabei wollte er Lehrer werden. Nach dem Abitur kam er nach Hamburg und studierte an der Hochschule für bildende Künste Kunstpädagogik. Nur seine zweite Wahl, denn im Fach Freie Malerei gab es keinen Platz mehr. Zeichnen kann Waalkes trotzdem, seine bekannteste Cartoonfigur ist der Ottifant. Im Hamburger Klub Danny's Pan stand Waalkes, der in einer WG mit Udo Lindenberg und Marius Müller-Westernhagen wohnte, Anfang der 70er-Jahre zum ersten Mal auf der Bühne. Gegen einen Einsatz von fünf Mark durfte man dort zehn Minuten lang sein Können zeigen. 1972 erschien die LP "Otto", die sich eine halbe Million Mal verkaufte. Für seine Arbeit bekam Waalkes viele Auszeichnungen, darunter den Deutschen Comedypreis für sein Lebenswerk.